Zagreb – Nach den Debatten um die Kadernominierung und dem Wirbel um den EM-Spielort kann die Mission Titelverteidigung der deutschen Handballer endlich beginnen.
Zwei Jahre nach dem sensationellen Gold-Triumph von Krakau wollen die Bad Boys bei der Endrunde vom 12. bis 28. Januar in Kroatien erneut glänzen. Angeführt vom neuen Bundestrainer Christian Prokop soll bei seiner ersten großen Bewährungsprobe das WM-Debakel vom Vorjahr vergessen gemacht werden. Selbstvertrauen hat die DHB-Auswahl vor der gemeinsamen Abreise am Donnerstag reichlich.
«Wir wollen erfolgreich sein und Werbung für unsere Sportart machen. Das schafft man mit der Art und Weise, wie man spielt, aber in erster Linie natürlich über Erfolg. Wir sehen uns als Zugpferd unserer tollen Sportart», sagte Prokop. Ganz ohne Störgeräusche verlief die sportlich erfolgreiche Vorbereitung zuletzt aber nicht. Grund dafür war die Benennung des Aufgebots für das Highlight des Jahres.
Nur noch acht Europameister stehen im 16er Endrundenkader, vom olympischen Bronzegewinn 2016 in Rio sind noch elf Spieler dabei. Prokop war auch öffentlich dafür kritisiert worden, dass Spieler wie Finn Lemke nicht berücksichtigt wurden. Trotzdem hat der 39 Jahre alte Coach, der im Februar 2017 die Nachfolge von Dagur Sigurdsson antrat, vor seiner internationalen Feuertaufe ein gutes Gefühl. «Ich spüre keine Leichtfertigkeit bei den Spielern. Alle sind sehr fokussiert und motiviert.»
Am Donnerstagvormittag geht es mit dem Germanwingsflug 4U 8974 von Berlin nach Zagreb, wo die DHB-Auswahl in der Vorrunde auf Montenegro, Slowenien und Mazedonien trifft. Um die Arena in der kroatischen Hauptstadt schwelt ein ungelöster Kostenstreit, der Betreiber Ingra hatte zunächst damit gedroht, die Halle kurzfristig nicht zur Verfügung zu stellen. Am Mittwoch gab es jedoch Entwarnung. Das deutsche Team ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. «Wir wollen die Gruppenphase mit der maximalen Punktausbeute überstehen und ein gutes Turnier spielen. Das Halbfinale ist ein ambitioniertes Ziel, das wollen wir erreichen», sagte Prokop.
Von der Titelverteidigung spricht im deutschen Lager – zumindest öffentlich – noch niemand. Dafür ist die Konkurrenz zu groß und zu stark. «Wir sind dieses Mal die Gejagten», sagte Kapitän Uwe Gensheimer. Der Weltklasse-Linksaußen vom französischen Meister Paris Saint-Germain zählt wie die Torhüter Andreas Wolff und Silvio Heinevetter, Kreisläufer Hendrik Pekeler sowie die Rückraumschützen Julius Kühn und Kai Häfner zu den Leistungsträgern des Teams.
Vom Verband, der eine gestaffelte Medaillen-Prämie ausgelobt hat, gibt es nur moderaten Druck. «Der Anspruch einer deutschen Mannschaft muss es sein, jedes Spiel gewinnen zu können und zu wollen. Immer im Wissen, dass wir nicht jedes Spiel nur durch eine eigene gute Leistung gewinnen können, weil die Weltspitze zu breit ist», sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning in einem dpa-Interview.
Für ihn gibt es daher keinen Topfavoriten. Weltmeister Frankreich, Olympiasieger Dänemark, der WM-Zweite Norwegen, Gastgeber Kroatien, Vize-Europameister Spanien und natürlich Titelverteidiger Deutschland rechnen sich allesamt Chancen auf EM-Gold aus. Die Meriten der Vergangenheit zählen da nicht mehr. «Es geht bei Null los», sagte Prokop. «In Kroatien sind die stärksten Nationen des Handballs vertreten, da muss man in jedem Spiel eine Topleistung bringen. Und das von Beginn an.»
Ein Jahr vor der Heim-Weltmeisterschaft kann und will sich die DHB-Auswahl keinen Ausrutscher wie zuletzt bei der WM 2017 in Frankreich erlauben, wo sie im Achtelfinale krachend an Außenseiter Katar scheiterte. «Es bedarf eines anderen Auftritts als bei der Weltmeisterschaft. Dort waren wir kein geschlossenes Team, das muss man selbstkritisch feststellen», mahnte Hanning. «Wir müssen jetzt unter Beweis stellen, dass wir aus den Fehlern gelernt haben. Ich verschwende keinen Gedanken an ein Scheitern.»
Auch wenn Prokop bisher noch kein Großturnier bestritten hat, sieht er die EM als noch härter an als eine WM. «Sicher ist eine Europameisterschaft von der Leistungsdichte schwieriger und höher anzusiedeln, weil man nicht auf einen vermeintlich schwachen Gegner trifft», sagte Prokop und gab die Marschroute vor: «Ich möchte sehen, dass die taktischen Vorgaben diszipliniert umgesetzt werden und wir mit Freude und großem Teamgeist spielen.»
(dpa)