Nyon – Für Philipp Lahm steht nach der Rückkehr von seiner geglückten EM-Mission am Genfer See ein Gratulationsmarathon an. In der Frankfurter DFB-Zentrale will der erfolgreiche Turnier-Beschaffer den Mitarbeitern des Verbandes per Handschlag danken.
Die gute Laune nach dem Zuschlag für das Kontinentalturnier 2024 soll beim Deutschen Fußball-Bund für Aufbruchstimmung nach den tristen Sommertagen des WM-Debakels genutzt werden. «Das Wichtigste war, dass wir die EURO nach Deutschland holen und dass wir die Möglichkeit haben darauf hinzuarbeiten, dass wir ein großes Fest gemeinsam mit allen Europäern feiern können», sagte Lahm. Wann der Ehrenspielführer in sein neues Amt als EM-Cheforganisator eingeführt wird, steht noch nicht fest – ebenso wie wichtige Turnierdetails wie der Finalort oder der Beginn des Ticketverkaufs.
Offenbar muss sich der 34-jährige Lahm auch noch an die Rolle als führender Sport-Funktionär gewöhnen. «Was ich genau bin, weiß ich nicht», merkte Lahm angesprochen auf sein neues Tätigkeitsfeld an. Sicher ist für den Münchner aber: «Die Arbeit ist nicht zu Ende, es geht jetzt weiter.»
Dieses Motto gilt speziell für seinen Boss Reinhard Grindel. Der DFB-Präsident wird sich nicht auf den Meriten des EM-Wahlsieges ausruhen können. Einen Burgfrieden im deutschen Fußball hatte sich der 57-Jährige in der turbulenten Zeit nach dem WM-Aus bis zur EM-Entscheidung in Nyon erbeten. Grindel musste nach seinem komplett missratenen Krisenmanagement in der Özil-Affäre und der Kritik an seiner Personalpolitik um Bundestrainer Joachim Löw Zeit gewinnen.
Das große Ziel, die EM gegen den unberechenbaren, aber letztlich mit 12:4-Stimmen klar geschlagenen Kontrahenten aus der Türkei zu holen, sollte die vielen Konfliktherde im deutschen Fußball zeitweise überdecken. Gelöst sind die Probleme aber nicht.
Entlarvend waren Grindels erste Worte nach dem EM-Zuschlag noch im UEFA-Auditorium. Statt dem Protokoll gemäß den unterlegenen türkischen Kontrahenten zu loben, hob Grindel auf die Einheit des deutschen Fußballs zwischen Profis und Amateuren ab, wohlwissend, dass durch diesen Dauer-Konflikt auch seine Zukunft als DFB-Boss gefährdet ist. «Es ist ein ganz großer Tag für den Spitzen- und den Breitenfußball in Deutschland», sagte Grindel. Ihm bleibt auf den Tag genau ein Jahr zwischen EM-Vergabe und dem nächsten DFB-Bundestag, bei dem am 27. September 2019 eine Präsidentschaftswahl ansteht.
Bei den EM-Vorbereitungen kann sich Grindel auf ein starkes Orga-Team um Lahm verlassen – zumal die Europäische Fußball-Union ohnehin große Teile der Turnierplanung nicht dem Gastgeber überlässt.
Seine Baustellen sind andere. Die organisierten Fans protestieren gegen Kommerzialisierung. In der Liga gibt es laute Stimmen gegen die 50+1-Regel. Die Video-Referees produzieren ständig neue Schlagzeilen. Das Millionen-Projekt DFB-Akademie wird immer teurer und der für den Sommer avisierte Spatenstich ist noch immer nicht erfolgt.
Der Neuanfang des Nationalteams unter Bundestrainer Joachim Löw steht schon im Oktober mit den schweren Auswärtsspielen in der Nations League in Holland und Frankreich auf dem Prüfstand. Und: Das Dauerthema Özil ist noch längst nicht ausgestanden.
(dpa)