Deutsche Wintersportler vor Russland-Entscheidung uneins

Berlin – Komplettausschluss der russischen Mannschaft von den Winterspielen in Pyeongchang oder individuelle Strafen nur für überführte Doper?

Vor der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees im Zuge der Manipulationsaffäre bei Olympia 2014 in Sotschi gehen die Meinungen über das richtige Strafmaß weit auseinander. Auch die deutschen Wintersportler werden gebannt nach Lausanne blicken, wenn das IOC-Exekutivkomitee ab 5. Dezember sein Urteil fällt – und fordern unterschiedliche Konsequenzen.

«Wenn man nach den ganzen Recherchen das Gefühl nicht los wird, dass man irgendwie beschissen wurde, bin ich der Meinung, dass man hart durchgreifen sollte», sagte der zweimalige Biathlon-Weltmeister Erik Lesser der Deutschen Presse-Agentur. Der zweimalige Olympia-Zweite von Sotschi kann sich Olympia ohne Russland vorstellen: «Es werden vielleicht einige Athleten betroffen sein, die sich hoffentlich nichts haben zu Schulden kommen lassen, aber ich glaube, für das ganze System kann das eine Chance oder ein Wachrüttler sein.»

Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein hält hingegen nichts von einer Kollektivstrafe. «Mein Grundsatz lautet: Jeder Sportler, der des Dopings überführt wurde, darf nicht starten. Wer nicht überführt wurde, darf starten», sagte Pechstein der Tageszeitung «Neues Deutschland» und ergänzte: «Ich fände es hart, wenn unschuldige Sportler nicht an den Spielen teilnehmen dürften nur aufgrund solch einer Pauschalisierung.»

Nicht nur Pechstein sieht einen Generalausschluss zwiespältig. Denn er «würde auch Sportarten treffen, in denen sauber gearbeitet wurde», sagte Andreas Schlütter, Sportlicher Leiter Langlauf im Deutschen Skiverband und ergänzte. «Die Entscheidung wird sehr schwer sein.» Rodel-Bundestrainer Norbert Loch hofft jedenfalls, «dass es geahndet wird, mit welchen Bestrafungen auch immer. Wir erwarten, dass alle mit sportlich fairen Mitteln kämpfen – und nicht mit unerlaubten.»

Der viermalige Biathlon-Weltmeister Arnd Peiffer sieht das Grundproblem darin, dass es keine direkten Beweise für Doping gebe. «Aber man hat den Beweis, dass Proben geöffnet wurden. Keiner öffnet eine Dopingprobe, um sie hinterher einfach so wieder zu verschließen. Es wurde irgendwas gemacht», sagte Peiffer. Deswegen sei eine Strafe gerechtfertigt. «Wir sind hier sehr sorgfältig und transparent. Andere sind das nicht und deshalb muss etwas passieren», so Peiffer.

Das IOC-Exekutivkomitee wird die Entscheidung über die Folgen des aufgedeckten systematischen Dopings in Russland auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse der von Samuel Schmid und Denis Oswald geleiteten Kommissionen treffen. Das Oswald-Gremium beschäftigte sich mit der Manipulation und dem Austausch von Doping-Proben in Sotschi. Eine Reihe von Sportlern wurde bereits bestraft, unter anderem sind die Olympiasieger Alexander Legkow (Skilanglauf) und Alexander Subkow (Bob) lebenslang von allen IOC-Wettbewerbe ausgeschlossen.

Bei den Sommerspielen 2016 in Rio hatte das IOC auf einen kompletten Ausschluss verzichtet. Weitere Sanktionsmöglichkeit wären nun die Teilnahme Russlands unter neutraler Flagge – Moskau lehnt das vehement ab -, eine hohe Geldstrafe oder eine individuelle russische Startrecht-Prüfung wie in Rio de Janeiro. Berücksichtigen wird das IOC, dass die Welt-Anti-Doping-Agentur die Aufhebung der Sperre der russischen Agentur (RUSADA) abgelehnt hat. Auch die 17 führenden nationalen Anti-Doping-Agenturen fordern den Komplett-Ausschluss.

Der kanadische Ermittler Richard McLaren hatte den Russen ein staatlich gelenktes Dopingsystem in der Zeit von 2011 bis 2015 attestiert. «Es ist unfassbar, dass eineinhalb Jahre nach dem McLaren-Bericht in Russland noch keinerlei Einsicht erkennbar ist», sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. «Wer die international gültigen Spielregeln nicht ansatzweise anerkennt und einhält, muss mit harten Konsequenzen rechnen.»


(dpa)

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