Berlin – Bei der Frage nach einer neuen Zielsetzung mit Richtung Europapokal strich sich Bruno Labbadia durch das hier und da gräulich schimmernde Haar und zupfte kurz am Sakko.
«Ich kann nur sagen, und wenn Sie mich erlebt haben, wissen Sie, dass ich das auch so meine: Ich bin sowas von demütig, was den Abstiegskampf betrifft, weil ich einfach so großen Respekt habe», antwortete er.
Der 54-Jährige hat aus dem Abstiegskämpfer Hertha BSC binnen weniger Wochen aber einen Anwärter auf die internationalen Ränge in der Fußball-Bundesliga gemacht. Vier Punkte beträgt nur noch der Rückstand auf Rang sechs. Das 2:0 (1:0) gegen den FC Augsburg war der dritte Sieg im vierten Spiel, keines ging verloren. «Wenn da nur ein bisschen was schief gegangen wäre und wir nicht so schnell die Mannschaft auf Kurs gebracht hätten, wissen wir, wo wir stehen würden», betonte Labbadia.
Zehn Punkte von zwölf möglichen, drei Spiele ohne Gegentor. Eine Mannschaft, die sich insgesamt viel gefestigter zeigt, die eine Linie auf dem Platz ungeachtet des Leistungseinbruchs gegen die Augsburger in der zweiten Halbzeit hat und vor allem wieder mit Freude spielt und Zuversicht verbreitet.
«Da ist noch einiges möglich», kommentierte Hertha-Profi Maximilian Mittelstädt mit Blick auf den Rückstand auf die Europa-League-Ränge. «Nur vier Punkte – es ist möglich», hieß es fast identisch von Keeper Rune Jarstein, der nach seinem Patzer beim 2:2 unter der Woche gegen Leipzig sein Tor diesmal wieder sauber hielt. Labbadia hatte dem 35 Jahre alten Norweger nach der Slapstick-Nummer öffentlich versichert, weiter seine Nummer eins zu bleiben. Labbadia versucht, beim selbst ernannten Big City Club Ruhe reinzubringen, wo er nur kann.
Und er trifft bislang die richtigen Entscheidungen. Das Führungstor in der 24. Minute erzielte Javairô Dilrosun. Der 21 Jahre alte Niederländer spielte seit Ende Februar schon nicht mehr in der Startelf. Labbadia vertraute ihm, nachdem der zuletzt stark aufgelegte Matheus Cunha in der Offensive wegen einer leichten Gehirnerschütterung nicht spielen konnte. Das Tor zum 2:0 in der Nachspielzeit erzielte Krzysztof Piatek, Labbadia hatte ihn rund eine halbe Stunde vorher eingewechselt.
Die Spieler schwärmen von Labbadia. Und der Coach, für den der Hauptstadtclub die achte Station und der siebte Verein ist, sagt über sich: «Mit jeder Station bin ich besser geworden. Ich glaube, ich bin heute der beste Trainer, der ich je war, weil die Erfahrung einfach unfassbar wichtig ist.»
Unfassbar findet Labbadia auch die bisherige Ausbeute und auch deshalb ließ er sich bei der Frage nach einer neuen Zielsetzung nichts weiteres entlocken. Vielmehr verwies er auf die anstehenden schweren Spiele wie bei Borussia Dortmund am kommenden Samstag. Nach dem 3:0 in Hoffenheim, dem 4:0 im Stadtderby gegen Union Berlin, dem 2:2 in Leipzig und dem 2:0 gegen Augsburg nach einer souveränen ersten Halbzeit dürfte den Berlinern aber auch vor den Borussen nicht bange sein. Und um den «leeren Tank» seiner Spielern nach der englischen Woche wieder aufzufüllen, bleiben Labbadia ja auch ein paar Tage.
«Immer wenn ein neuer Trainer kommt, bringt er neue Energie mit. Und Bruno hat uns richtig viel Energie gegeben, uns wieder zu einem Team geformt. Er gibt uns Vertrauen und wenn du Vertrauen spürst, spielst du viel besser», betonte Torschütze Dilrosun.
(dpa)