Saransk – Besonders luxuriös ist das Gebäude nicht, das im WM-Spielort Saransk in der Demokratie-Straße 1 steht. Die ockergelbe Fassade könnte hier und da mal einen neuen Putz vertragen.
Im Erdgeschoss gibt es einen Technik-Laden, im Hof einen kleinen Kinderspielplatz. Ansonsten sieht es aus wie ein normales Wohnhaus – doch es hat einen weltberühmten Bewohner. Denn hier in Saransk, rund 650 Kilometer östlich von Moskau, ist der französische Schauspieler Gérard Depardieu gemeldet. Unter großem Medieninteresse hatte er Anfang 2013 einen russischen Pass erhalten, aus den Händen von Präsident Wladimir Putin, der seinen «Freund» per Ukas zum Russen ernannte.
Seitdem ist Saransk unweigerlich verbunden mit dem Filmstar. Ein Kino im Westen der Stadt trägt seinen Namen. «Im Rathaus hängen viele Bilder von ihm», erinnert sich Ex-Bundesligaprofi Frank Greiner, der 2013 für ein paar Monate beim örtlichen Fußballclub Mordowija als Co-Trainer arbeitete.
Im Streit um eine geplante Reichensteuer hatte Depardieu damals seiner Heimat den Rücken gekehrt. Russland empfing den Weltstar, der in einem Brief von seiner Liebe zum größten Land der Erde schwärmte, mit offenen Armen. Netter Nebeneffekt: Gerade mal 13 Prozent Steuer muss Depardieu hier zahlen.
Was aber genau aus den Ankündigungen des Franzosen geworden ist, ist unklar. In Moskau wollte er ein Restaurant eröffnen, später seien Filialen in St. Petersburg und eben Saransk geplant, hatte Depardieu etwa im Juli 2014 gesagt. Es sieht nicht so aus, als sei der Plan umgesetzt worden.
In Saransk reagieren die meisten Leute eher wortkarg. «Wir sind geehrt, dass er unsere Stadt gewählt hat», meint eine Frau, die in der Demokratie-Straße hastig ihre kleine Tochter weiterzieht. Im Pressezentrum der WM-Stadt will sich niemand äußern: Es gehe um Fußball, für Fragen zu Depardieu sei die Stadtverwaltung zuständig. Die wiederum lehnt ein Interview über den kleinsten WM-Spielort und seinen bekanntesten Einwohner ab, aus Zeitgründen.
Die Nachbarn würden Depardieu nur im Kino sehen, berichtete der russische Sender NTW im August 2016. Und im Vertrauen würden sie erzählen, dass in der Wohnung Nummer 9, in der der 69-Jährige gemeldet ist und die Nikolai Borodatschew, dem Chef des staatlichen Filmarchivs, gehöre, tatsächlich andere Leute wohnten. Dass er nicht wirklich in Saransk lebe, hatte Depardieu jedoch schon früh klargemacht.
So sagte er im März 2013 im Interview mit dem belgischen Regionalsender Notélé, er liebe Frankreich und Russland. Aber leben wolle er im belgischen Dorf Néchin, unweit der Grenze zu Frankreich. Und erst im Februar 2018 kündigte er an, er werde künftig in Algerien wohnen. Das sei ein «wunderbares Land».
(dpa)