Moskau – Es war der 12. Juni 1998, als Thomas Delaney mit dem WM-Virus infiziert wurde. Als kleiner Junge, gerade einmal sechs Jahre alt, saß Delaney mit seiner Familie im Stade Félix-Bollaert von Lens und feuerte die dänische Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Frankreich im Spiel gegen Saudi-Arabien an.
1:0 hieß es am Ende für die Skandinavier, ein gewisser Marc Rieper schoss den Siegtreffer für Danish Dynamite – und auf der Tribüne jubelte der kleine Thomas Delaney. Schon da wusste er: «Das ist das feinste Turnier, das es im Weltfußball gibt.» 20 Jahre später ist der Däne wieder bei der WM, dieses Mal als Spieler und wichtige Stütze im Team von Trainer Age Hareide. «Thomas ist ein sehr intelligenter Spieler, sehr wertvoll für uns», lobte der norwegische Coach den 26-Jährigen, der in der neuen Saison für Borussia Dortmund spielen wird.
Schnell noch vor der WM hatte Delaney den Transfer abwickeln lassen. Eigentlich hatte er das Turnier in Russland dafür nutzen wollen, sich auf der großen Fußball-Bühne zu präsentieren. Sein Ziel und absoluter Kindheitstraum: einmal in der englischen Premier League zu spielen. Zur Überraschung vieler gab er dann aber Dortmund sein Ja-Wort, für rund 20 Millionen Euro plus Boni wechselt er von Werder Bremen zum Champions-League-Teilnehmer. «Der BVB ist für mich einer der Top-Ten-Vereine in Europa und einer der beiden Top-Clubs in Deutschland», begründete Delaney seinen plötzlichen Sinneswandel.
Legt man Delaneys bisherige Leistungen in den beiden Spielen in Russland zugrunde kann man nur sagen: Alles richtig gemacht. Denn groß Werbung für sich machen konnte der defensive Mittelfeldspieler bislang bei der WM nicht. Wie das gesamte dänische Team kommt auch Delaney bislang nicht richtig in Schwung. Sowohl beim glücklichen 1:0 gegen Peru als auch beim 1:1 gegen Australien wusste Dänemark nicht zu überzeugen.
Das einzig Positive: Mit vier Zählern ist der Europameister von 1992 trotzdem voll im Soll. Ein Punkt am Dienstag (16.00 UHR/ARD) in Moskau gegen die schon für das Achtelfinale qualifizierten Franzosen reicht zum Einzug in die K.o.-Runde. «Wenn uns das vorher einer gesagt hätte, wir hätten es angenommen», sagte Delaney.
Doch woran liegt es, dass die inzwischen seit 17 Spielen nicht mehr besiegten Dänen in Russland bislang schwächeln? Warum kann auch Delaney seine Stärken – das Pressingverhalten, eine sehr aggressive Zweikampfführung und viel Dynamik – noch nicht auf dem Platz zeigen? «Das ist schwer zu sagen», rätselt auch Delaney.
Vielleicht ist es auch die hohe Erwartungshaltung in der Heimat. Wie jedes Team wird auch die aktuelle Nationalmannschaft mit den Helden von 1992 verglichen, die sensationell in Schweden gegen Deutschland Europameister wurden. «Ich will nicht sagen, dass es wie ein Schatten über uns liegt, aber es ist immer noch Thema», sagte Delaney. «Denn egal, was wir erreichen, an die 92er-Mannschaft wird nie wieder jemand herankommen.»
(dpa)