Berlin (dpa) – Er war die Nummer zwei der Tennis-Welt, hat 15 Titel auf allen Belägen gefeiert, stand in vier Grand-Slam-Halbfinals und hat Olympia-Silber gewonnen. Er faszinierte die Fans mit seiner spektakulären Spielweise und bemerkenswerten Comebacks nach langen Verletzungspausen.
Doch als Tommy Haas seinen endgültigen Abschied vom Profi-Tennis bekanntgab, bekam es mehrere Tage erst einmal niemand mit. Keine Pressemitteilung, kein Beitrag in den sozialen Netzwerken, keine öffentlichkeitswirksame Würdigung seiner Karriere.
Bereits am vergangenen Freitag erschien in der kalifornischen Zeitung «Desert Sun» ein ausführlicher Artikel mit den entscheidenden Zitaten des gebürtigen Hamburgers. «Die Realität ist, dass ich am 3. April 40 werde und der Körper sich ändert. Und ich möchte mein Leben auch später noch genießen», sagte Haas, im Jahr 2002 die Nummer 2 im ATP-Ranking, und sprach von einem «weisen Schritt», seinen Körper «nicht weiter zu quälen».
Ob nun trostlos und unwürdig oder bescheiden und konsequent: 22 Jahre nach dem Beginn seiner Profilaufbahn hat der zweifache Familienvater seinen de facto längst praktizierten Schritt nun auch offiziell vollzogen. Als letztes Match wird die Niederlage gegen Jan-Lennard Struff Anfang August 2017 in Kitzbühel in den Statistiken von Thomas Mario Haas geführt. Anschließend bestritt er kein Turnier mehr, die erhoffte Wildcard für die US Open blieb ihm verwehrt. Sein letzter Sieg gelang Haas im Juni auf Rasen in Stuttgart gegen Roger Federer.
Nach der Niederlage in Kitzbühel sagte Haas: «Es kann auch gut sein, dass das mein letztes Match war.» Sein Management verbreitete kurz darauf auf die Frage, ob es das mit der Karriere nun gewesen sei, den Satz: «Man weiß nie bei Tommy, er hat schon viele überrascht.» Und erst vor wenigen Wochen diktierte Haas bei den Australian Open der «Süddeutschen Zeitung» die Worte: «In mir brennt immer noch was.»
Er habe sogar überlegt, in Melbourne die Qualifikation zu bestreiten – als Nummer 254 der Welt. Irgendwie fiel es Haas schwer, seiner im Prinzip längst vollzogenen Entscheidung, nach neun Operationen an Schulter, Hüfte oder Fuß nicht wieder auf die Tennis-Tour zurückzukehren, auch einen offiziellen Anstrich zu verpassen. Er brauche «keinen großen Bang» zum Abschluss, sagte Haas der «SZ» und betonte «viele schöne Momente auch in den letzten zwei Jahren».
Dabei musste er die Saison 2016 komplett auslassen, seine erste Tochter Valentina war anschließend jedoch Inspiration, sich zu schinden und auch trotz der Tage weiterzumachen, an denen er sich nach dem Aufstehen kaum bewegen konnte. Er quälte sich für ein Comeback 2017 und spielte am Hamburger Rothenbaum, in Stuttgart, München, Halle oder Wimbledon.
Haas gewann nur sechs von 14 Partien und merkte, dass er mit der heutigen Generation und dem aktuellen Leistungsstand nicht mehr mithalten kann. Es sei ihm nicht um Gewinnen und Verlieren gegangen, sagte er jetzt. Er wollte vielmehr mit der Familie an wichtige Orte seines Sportlerlebens zurückkehren.
Damit ist es nun vorbei. Haas ist Turnierdirektor in Indian Wells, er wird ein paar Showturniere auch in Deutschland bestreiten. Um aber seinem Sport ernsthaft und aktiv nachzugehen, müsse man für 60 oder 120 Minuten auf dem Platz fit sein, sagte Haas der «Desert Sun» und gab zu: «Ich glaube nicht, dass ich das noch in mir habe.»
(dpa)