St. Petersburg – Alles steht auf dem Spiel: die Karriere von Lionel Messi in der Nationalmannschaft, der Job von Trainer Jorge Sampaoli und die letzte WM-Hoffnung eines ganzen Landes.
Mehr Druck, als auf dem bislang so enttäuschenden Anführer Messi und seinen Argentiniern im Gruppenfinale gegen Nigeria lastet, geht wohl nicht. «Wir sind der Vizeweltmeister, und irgendwann müssen wir es beweisen», fordert der viermalige WM-Teilnehmer und Wortführer Javier Mascherano nach turbulenten Tagen im Camp der Südamerikaner. «Ich erlaube mir keine Bitterkeit, ich träume noch davon, dass Argentinien in die nächste Runde kommt», sagt Edelfan Diego Maradona.
Die letzte Hoffnung und die letzte Chance, das drohende Debakel mit einem beschämenden Vorrunden-Aus nach einem 1:1 gegen WM-Neuling Island und der 0:3-Demontage durch Kroatien noch mehr oder weniger aus eigener Kraft abwenden zu können, haben Messi und seine Mitspieler pikanterweise einzig den Nigerianern zu verdanken. «Das Schicksal gibt uns noch eine Möglichkeit», weiß auch Mascherano. «Man hat uns noch eine kleine Tür geöffnet», pflichtet Maradona bei: «Das müssen wir ausnutzen.»
Nur ein Sieg am Dienstagabend (20.00 Uhr MESZ) im schmucken Stadion von St. Petersburg kann seine Erben vor dem Scheitern retten. Es wäre das erste Aus nach der Vorrunde seit 2002, der letzten WM noch ohne Messi. 2018 könnte die letzte WM mit Messi sein. Vor zwei Jahren trat er schon einmal zurück, damals nach dem dritten verlorenen Finale in drei Jahren (WM-Endspiel 2014 gegen Deutschland, Endspiele der Copa América 2015 und 2016 gegen Chile). Dass der am Sonntag 31 Jahre alt gewordene Messi bei einem Aus im Nationaltrikot weitermacht, scheint angesichts seiner eigenen bisherigen Leistung und der höchst angespannten Gesamtstimmung eher nicht vorstellbar.
Zwei Tage vor dem Anpfiff der Partie sah sich Verbandsboss Claudio Tapia sogar aufgerufen, die Medien scharf zu kritisieren. Das meiste sei gelogen, (ver)urteilte der 50-Jährige Berichte über schwere Spannungen zwischen Trainer und Mannschaft bis hin zu einer vorübergehenden Entmachtung von Coach Sampaoli, der aller Voraussicht nach seine Mannschaft wieder nicht unwesentlich verändern dürfte. Es wird unter anderem damit gerechnet, dass im Tor statt des 36 Jahre alten WM-Debütanten Wilfredo Caballero nach seinem Riesenpatzer im Kroatien-Spiel Franco Armani stehen wird. Für den Keeper von River Plate wäre es nicht nur die WM-, sondern sogar die Länderspiel-Premiere.
Angst und Schrecken verbreiten diese Argentinier in Russland nicht mehr. Ehrfurcht vor Messi bei den Nigerianern? Fehlanzeige. «Ich habe keine Angst vor Messi. Ich glaube an mich und an mein Team», sagte Torwart Francis Uzoho: «Ich bin zuversichtlich, dass wir sie schlagen, wir haben jetzt die Siegermentalität.» Man fahre nicht nach St. Petersburg, um zu verlieren, betonte Stürmer Ahmed Musa.
Seit vier WM-Spielen warten die Argentinier mit Messi bereits auf einen Sieg in der regulären Spielzeit. Der bis dato letzte war das 1:0 gegen Belgien im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Auf dem Weg dorthin trafen die Argentinier auch schon auf Nigeria. Sie gewannen damals 3:2, Messi schoss seine WM-Tore vier und fünf. Dabei ist es bis jetzt geblieben. Ein Testspiel im November ohne Messi verlor Argentinien gegen Nigeria 2:4. Jetzt wird es ernst, richtig ernst. «Es wird ein hartes Spiel, und wir müssen mit einer starken Mentalität auftreten, vom Anfang bis zum Schluss», forderte Nigerias deutscher Coach Gernot Rohr. «Das ist das Spiel unseres Lebens», sagte Verteidiger Tyronne Ebuehi. Für Argentinien ist es vier Jahre nach dem 0:1 gegen das DFB-Team wie das nächste Finale.
(dpa)