St. Petersburg – Mit einer gelungenen Generalprobe für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 will Russland beim Confederations Cup alle Skeptiker überzeugen.
Vor Anpfiff am 17. Juni mit der Partie des Gastgebers gegen Neuseeland in der St. Petersburger Zenit-Arena ist der WM-Testlauf aber noch ein Turnier mit vielen Fragezeichen.
Ein schleppender Ticketverkauf, die Sicherheitsdebatte in Russland und das Rätsel um den sportlichen Wert dominieren die Schlagzeilen. Und auch Joachim Löw sieht die zehnte Auflage des Konföderationen-Turniers eher als Experimentierfeld. «Einige Spieler werden bewusst geschont, da das Ziel 2018 über allem steht», sagt der Weltmeister-Coach. «Wir gehen mit einem Perspektivkader ins Turnier.»
Dem Traum von der erfolgreichen Titelverteidigung ordnet Löw die dritte deutsche Teilnahme beim Kräftemessen der besten Kontinentalteams unter. Die Konkurrenz ist dabei groß – auch ohne Rekordsieger Brasilien, der die drei letzten Ausgaben gewann, gibt es im Feld Teams auf absolutem internationalen Spitzenniveau.
Aus Südamerika zählt Chile im Gegensatz zu den weiteren deutschen Vorrundengegnern Kamerun und Australien zu den Favoriten. Europameister Portugal um Superstar Cristiano Ronaldo will nach dem Premierentitel gleich die nächste Trophäe und gilt vor Mexiko, dem Gastgeber und Neuseeland als Topteam aus Gruppe A.
Die russische Sbornaja darf sich nach den jüngsten sportlichen Fehlschlägen zwar nur wenig Hoffnungen auf den Einzug ins Finale am 2. Juli in St. Petersburg machen. Die politische Elite ist aber zumindest organisatorisch voller Zuversicht für das Turnier.
Als «wichtigstes Sportereignis 2017» pries Russlands Fußballchef Witali Mutko den Confed Cup. Für Kremlchef Wladimir Putin, der zuletzt per Erlass «verstärkte Sicherheit» beim Confed Cup und der WM 2018 anordnete, ist das Turnier die Gelegenheit, sich in Zeiten des Syrien-Kriegs der glitzernden Sportwelt als guter Gastgeber zu präsentieren.
Ob dies gelingt, wird auch durch die Frage entschieden, wie frei Journalisten rund um den Confed Cup berichten dürfen. Mögliche Verbote hatten zuletzt eine Protestwelle ausgelöst. Der Weltverband stellte daraufhin einen Teil der Bedingungen für eine Akkreditierung beim Confed Cup klar und sicherte Journalisten zumindest uneingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten an den Spielorten zu.
Auch der mäßige Absatz von Tickets sorgte für Misstöne. Vor Start der letzten Verkaufsphase, die noch bis zur Eröffnung geht, lagen aus Deutschland lediglich Bestellungen für 1489 Eintrittskarten vor. Insgesamt hatten Fans vor einem Monat für die 16 Partien in den vier russischen WM-Städten Kasan, Sotschi, Moskau und St. Petersburg weniger als ein Drittel der rund 695 000 Karten geordert.
Im Ort des Eröffnungsspiels steigt neben zwei Gruppenspielen auch das Finale. Die St. Petersburger Arena mit 68 000 Plätzen wurde dabei erst spät und mit erheblich gestiegenen Kosten fertiggestellt. Nach zwei offiziellen Partien von Spitzenclub Zenit wird der Boden, die Schwachstelle der Konstruktion, derzeit wieder geschont.
All die Probleme sollen mit dem ersten Anstoß vergessen sein. Ob es nach dem letzten Abpfiff aber noch eine weitere Zukunft des Confederations Cups geben wird, ist derzeit äußerst fraglich. Die Wahl Katars als WM-Gastgeber 2022 könnte das Kontinentalturnier in seiner derzeitigen Form zum Auslaufmodell machen.
«Sollten wir ihn im Juni spielen? Sollten wir ihn im November spielen? Sollten wir über das Format nachdenken?», fragte FIFA-Präsident Gianni Infantino bereits öffentlich. Im Sommer könnte der Confed Cup 2021 wegen der Hitze kaum in Katar stattfinden. Ein Turnier vor Weihnachten im Jahr vor der ungeliebten Winter-WM würde den Terminkalender völlig durcheinanderwirbeln und wäre den Clubs nicht zu vermitteln.
Vor der ersten XXL-WM mit 48 Teilnehmern in neun Jahren hat die FIFA zudem interkontinentale Qualifikations-Playoffs «als Test-Event für die WM» angekündigt. Dies könnte auch aus Sicht von DFB-Präsident Reinhard Grindel einen «Ersatz» für den Confed Cup darstellen. So werden auch nach dem Testturnier in Russland noch nicht alle Fragezeichen aufgelöst sein.
(dpa)