Lissabon (dpa) – Anfang Mai war der «Held von Rotterdam» mal wieder in der Avenida das Seleções, dem Sitz des portugiesischen Fußball-Verbands. Dort hängen auch die Bilder von der EM 2000, als er die deutsche Mannschaft mit drei Toren fast allein aus dem Turnier schoss.
Doch diesmal kam Sergio Conceição nicht als Held nach Lissabon, sondern als Angeklagter. Der Verband sperrte ihn für satte 25 Tage. Conceição hatte mal wieder einen Schiedsrichter beschimpft.
41 Jahre ist der Deutschland-Schreck mittlerweile alt, er arbeitet als Trainer in der ersten portugiesischen Liga. Dort hat er sich langsam nach oben gearbeitet: vom SC Olhanense, einem kleinen Provinzclub an der Algarve, bis zu Vitoria Guimarães, immerhin früher einmal Europapokal-Gegner von Borussia Mönchengladbach.
In dieser Woche trat er bei Vitoria zurück, Conceição ist wie schon als Spieler berüchtigt für seine Unbeherrschtheit und Ungeduld. Neunmal wurde er in seiner Trainerkarriere schon auf die Tribüne geschickt. «Es ist nicht leicht, mit mir zusammenzuarbeiten», sagt Conceição selbst. Und so haben sein langes Sündenregister und sein großer Abend am 20. Juni 2000 im Grunde den gleichen Kern: unbändigen Ehrgeiz und Impulsivität. «Was auch immer ich tue, das mache ich mit großer Leidenschaft», meint er.
Die Ausgangslage vor dem letzten Spieltag der EM-Gruppe A war damals wie geschaffen für einen Spieler wie ihn. Die deutsche Mannschaft um den alten Lothar Matthäus und den jungen Michael Ballack hatte vorher keines ihrer beiden Spiele gegen Rumänien (1:1) und England (0:1) gewonnen, sie brauchte gegen Portugals B-Elf unbedingt einen Sieg.
Die Portugiesen wiederum standen bereits als Gruppensieger fest. Sie setzten im Stadion De Kuip ihre besten Spieler wie Luis Figo oder Rui Costa auf die Bank und ließen stattdessen Conceição von der Leine. Gegen diese derangierte deutsche Mannschaft war das schon genug.
1:0 in der 35. Minute, 2:0 in der 54. und 3:0 in der 71.: Alle drei Tore schoss der Flügelstürmer von Lazio Rom. «Wir haben Deutschland gedemütigt», sagt Conceição. Oliver Kahn im deutschen Tor empfand das damals genauso. «Ich schäme mich», stammelte er nach dem Spiel.
Titelverteidiger Deutschland schied als Gruppenletzter schon nach der Vorrunde aus. Die Portugiesen erreichten das Halbfinale, wo sie dann wie so oft am späteren Europameister Frankreich scheiterten. Das war schon bei der EM 1984 und später auch bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland so.
Einen großen Titel gewann also auch diese «Seleçao» nicht. Aber viele sagen: Die 2000er-Mannschaft war die beste, die Portugal je hatte. Luis Figo wurde damals zu «Europas Fußballer des Jahres» gewählt. Auch Spielmacher Rui Costa stand im Zenit seines Könnens. Der frühere Dortmunder Paulo Sousa war der eigentliche Chef auf dem Platz und in der Kabine. Die Aufgabe des fast schon sanftmütigen Trainers Humberto Coelho bestand eher darin, diese Ausnahmekönner zu einer Gemeinschaft zu formen und die vielen Einzelinteressen gelassen zu moderieren.
Dieses Team schaffte es sogar problemlos, einen Heißsporn wie Conceição zu integrieren. Coelhos Nachfolger Luis Felipe Scolari dagegen sortierte ihn drei Jahre später kommentarlos aus.
Sein streitbares Image steht Conceição noch heute oft im Weg. Der FC Porto, bei dem seine Spielerkarriere einst begann, sucht gerade einen neuen Trainer. Aber sein Heimatclub müsste schon eine Menge Absagen kassieren, um jemals an eine Rückkehr von Conceição zu denken.
Dafür schreckt sein Verhalten manchmal zu sehr ab. Im September übernahm er den Trainerjob in Guimarães, nachdem er zuvor für den Erzfeind Sporting Braga gearbeitet hatte. Normalerweise ein Schritt, den ihm weder die Fans des einen noch des anderen Clubs verzeihen. Doch in Guimarães war Conceição immer beliebt. Denn er verabschiedete sich einst in Braga, indem er den dortigen Präsidenten beleidigte.
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(dpa)