BVB in der Krise: «Alibifußball» und Frage nach dem System

Hannover – Von einer Krise will Peter Bosz nichts wissen. Dabei sind die Symptome eindeutig. Sie sind auf dem Platz zu sehen, sie sind in den Statistiken und in der Tabelle der Fußball-Bundesliga nachzulesen.

Doch der Trainer des von der Tabellenspitze gestürzten BVB behauptete nach dem bitteren 2:4 (1:2) bei Aufsteiger Hannover 96: «Da ist keine Krise – und da war keine Krise.» Die Zahlen sagen etwas anderes aus. In den vergangenen drei Spielen hat Borussia Dortmund nur ein Remis geholt, einen Vorsprung von fünf Zählern verspielt und liegt nun drei Punkte hinter Tabellenführer Bayern München. Dabei kassierte der BVB neun Gegentore.

Eindeutig waren auch die Aussagen des schlecht gelaunten BVB-Managers Michael Zorc, der von «Alibifußball» sprach und den Auftritt «pomadig und selbstgefällig» nannte. Zorc mahnte: «So gewinnst du in der Bundesliga kein Spiel

Die Gegner wissen inzwischen, wo der BVB verwundbar ist. Sie haben gewissermaßen den Code geknackt. 96-Manager Horst Heldt fasste es mit wenigen Sätzen zusammen: «Wir sind mit langen Bällen hinter die Abwehr gekommen, da sind sie anfällig. Sie sind extrem stark in der Offensive, aber wenn sie hoch stehen, dann kann man mit schnellen Leuten agieren.»

Doch auch davon will Bosz nichts wissen. «Ich habe schon vier Fragen bekommen, ob wir zu hoch stehen», sagte der Trainer nach der Niederlage. Seine Antwort darauf lautete: «Wenn wir gut stehen und gleich Druck machen, wenn wir den Ball verlieren, dann ist hoch zu stehen kein Problem.»

Ein Problem ist auf jeden Fall, dass Dortmund keinen Plan B besitzt. Trotz der offensichtlichen Schwierigkeiten gegen die aggressiven und konterstarken Hannoveraner gab es keine Umstellung. Es gab keine Reaktion von der Seitenlinie. Während andere Mannschaften ihre Taktik während des Spiels wechseln oder zumindest dann anpassen, wenn es nicht läuft, beharrt Bosz auf seinem extrem offensiv ausgerichteten 4-3-3-System.

Zumindest eines war nach den Gegentreffern von Jonathas (20./Foulelfmeter), Ihlas Bebou (40./86.) und Felix Klaus (59.) unstrittig. Dem BVB, der nur zu Treffern von Dan-Axel Zagadou (27.) und Andrej Jarmolenko (52.) kam, fehlte die nötige Aggressivität. «Das ist, was man immer dabei haben muss», sagte der Coach.

Die offiziellen Zahlen der Liga belegen diese fehlende Einsatz- und Laufbereitschaft. 114,2 Kilometer sind die 96-Spieler gelaufen, 6,2 mehr als die BVB-Profis (108). Den schwächsten Wert aller Feldspieler, die durchspielten, hatte Pierre-Emerick Aubameyang.

«Da müssen wir uns hinterfragen, nicht nur fußballerisch, sondern auch von der Einstellung her», forderte Marcel Schmelzer. Der sonst eher vorsichtige BVB-Kapitän monierte aber auch: «Hannover wollte mit dem ersten Kontakt hinter unsere Abwehrlinie, darauf sind wir immer wieder reingefallen.» Das Problem bei langen Bällen des Gegners sei «auf jeden Fall ein Punkt, den wir analysieren müssen».

Bei ähnlicher Taktik und Einstellung wie in Hannover droht am Mittwoch gegen Nikosia das Aus in der Champions League und am Samstag gegen Bayern die nächste Bundesliga-Pleite. Daher forderte Schmelzer, es gebe vor den richtungsweisenden Partien «einiges zu besprechen».


(dpa)

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