Dortmund – Lucien Favre verspürte diesmal wenig Lust, seine Profis in Schutz zu nehmen. Und auch Michael Zorc war sichtlich bedient. Der indiskutable Auftritt beim 0:2 (0:1) gegen den FSV Mainz drückte beim BVB mächtig auf die Stimmung.
«Es war eine große Enttäuschung», bekannte der Dortmunder Trainer ungewohnt freimütig. Vom eigenen Anspruch, hinter dem Abo-Meister FC Bayern die zweite Kraft im deutschen Fußball zu sein, war wenig zu sehen – zum Leidwesen von Sportdirektor Zorc: «Wir haben gespielt, als wäre der ein oder andere mit dem Kopf bereits im Urlaub.»
Kurz vor dem Ende einer passablen Rückrunde mit zuvor zwölf Siegen in 14 Spielen ist der avisierte zweite Rang noch einmal in Gefahr geraten. Mit einem Sieg am Samstag über den BVB könnte Verfolger Leipzig aufgrund der dann besseren Tordifferenz vorbeiziehen. Die Frage, ob seine Spieler nach der gesicherten Qualifikation für die Champions League bereits satt seien, beantwortete Favre mit finsterer Miene: «Ich hoffe nicht. Das können wir uns nicht erlauben.»
Der erfahrene Schweizer Fußball-Lehrer ahnt, was im Falle einer weiteren Niederlage droht. Der Verlust von Rang zwei könnte die Diskussion über seine Zukunft beim Revierclub neu beleben, die nach den beiden mühseligen 1:0-Erfolgen über Hertha BSC und Fortuna Düsseldorf zumindest für kurze Zeit abgeebbt war.
Lizenzspielerchef Sebastian Kehl hält jedoch wenig von voreiligen Schlüssen: «Wir sollten jetzt nicht alles in Frage stellen. Wir hatten zuvor einen sehr, sehr guten Lauf.» Ähnlich argumentierte Torhüter Roman Bürki: «Die Mannschaft hat kein Mentalitätsproblem. Sonst stünden wir nicht auf dem zweiten Platz.»
Gleichwohl sehen alle Beteiligten Redebedarf. «Unser Pressing ist Alibi», schimpfte Abwehrchef Mats Hummels bereits nach rund 30 Minuten laut hörbar auf dem Platz. Das dürftige Engagement brachte den BVB um die gute Ausgangsposition. «Bei uns war es einfach viel zu wenig. Das müssen wir uns ankreiden lassen, denn wir hätten heute einen großen Schritt machen können. Jetzt müssen wir das am Samstag tun», kommentierte Kehl.
Vor allem die Ideenlosigkeit des eigentlich spielstarken Teams, die schon beim glücklichen Last-Minute-Erfolg in Düsseldorf zu sehen war und sich gegen Mainz fortsetzte, gibt zu denken. Dass der Gegner gleich neun Kilometer mehr lief als die Dortmunder weist zusätzlich auf fehlenden Eifer hin. «Niemand ist heute an seine Leistungsgrenze gekommen», bekannte Nationalspieler Julian Brandt.
Der ehemalige Leverkusener ist dennoch guter Dinge, dass die Borussia die Hürde beim Top-Spiel in Leipzig meistert: «Es wird am Samstag definitiv noch mal knallen. Wir hatten jetzt mit Hertha, Düsseldorf und Mainz drei Mannschaften, die extrem tief standen. Nun haben wir einen Gegner, der selber versucht, das Spiel zu machen. Das wird ein bisschen offener.»
Gut möglich, dass auch Giovanni Reyna dann wieder zum Kader gehört. Die Aufregung um den vermeintlichen Corona-Verdacht bei dem an einem bakteriellen Infekt erkrankten 17 Jahre alten US-Amerikaner hat sich schnell gelegt. Entsprechende Medienberichte bezeichnete Kehl als «absolute Falschmeldung» und forderte: «Man sollte ein bisschen sensibler mit dem Thema Corona insgesamt umgehen. Das ist ein sensibles Thema in der Gesellschaft.»
(dpa)