Boll raus, Ovtcharov verletzt – Franziska überrascht

Bremen – Timo Boll verließ die Bremer Stadthalle mit einem sorgenvollen Gesicht. «Klar, das ist bitter für uns. Und das sind alles andere als gute Vorzeichen», sagte der Weltranglisten-Erste nach den German Open im Tischtennis.

Boll meinte damit nicht einmal seine eigene Viertelfinal-Niederlage gegen den wiedererstarkten Weltmeister, Olympiasieger und neuen German-Open-Sieger Ma Long aus China. Er sprach von jener Hüftverletzung, die seinen Teamkollegen Dimitrij Ovtcharov in Bremen zur Aufgabe zwang und um die Teilnahme an der Mannschafts-WM in genau fünf Wochen in Schweden bangen lässt.

Ein halbes Jahr lang hat das deutsche Tischtennis einen Erfolg nach dem anderen gefeiert. Boll und Ovtcharov gewannen die bedeutendsten Turniere der vergangenen Monate und lösten sich sogar gegenseitig an der Spitze der Weltrangliste ab. Das weckte bei Spielern wie Fans die Hoffnung, bei den Weltmeisterschaften vom 29. April bis 6. Mai in Halmstad sogar die unbesiegbaren Chinesen besiegen zu können.

Doch bei den German Open zeigte sich nun trotz der überraschenden Halbfinal-Teilnahme von Doppel-Europameister Patrick Franziska, dass die deutschen Stars für ihre Erfolge einen hohen Preis zahlen müssen. Ovtcharov hat sich auch infolge der starken Belastungen in den vergangenen Monaten verletzt. Und Boll brauchte im Februar so dringend eine Pause, dass auch er dadurch seinen Rhythmus verlor.

«Wir wollen bei der Mannschafts-WM so weit wie möglich kommen. Aber dafür müssen wir die Form des letzten Jahres erreichen», sagte der 37-Jährige in Bremen. Er selbst wertete die German Open trotz seiner 1:4-Niederlage gegen Ma Long als «Fortschritt» und «wichtigen Test mit Blick auf die WM». Er bekam dabei aber auch zu spüren, wie sehr die jüngsten deutschen Erfolge die Chinesen angestachelt haben.

Bei den German Open 2017 hieß das Finale noch Ovtcharov gegen Boll. Vier Monate später machten aber schon wieder zwei Chinesen die Siegprämie von 28 000 Dollar unter sich aus. Ma Long schlug den Doppel-Weltmeister Xu Xin im Endspiel mit 4:1. An der Spitze der Weltrangliste wird Boll zudem im April von Fan Zhendong abgelöst, der zuvor die ersten zwei World-Tour-Turniere des Jahres gewonnen hatte.

Auch Bundestrainer Jörg Roßkopf weiß: Sein Team hat bei der WM nur dann eine Chance gegen die Tischtennis-Weltmacht, wenn Ovtcharov und Boll in Bestform sind. Dennoch blieb der frühere Weltklassespieler in Bremen völlig entspannt. «Ich kann und darf jetzt nicht in Hektik verfallen», sagte er – und das aus zwei Gründen.

Zum einen geht man beim Deutschen Tischtennis-Bund davon aus, dass Ovtcharov seine Hüftprobleme im April auskurieren und rechtzeitig bis zur Weltmeisterschaft wieder fit werden kann. An diesem Montag hat der 29-jährige World-Cup-Sieger bei gleich bei zwei Ärzten Termine. «Spieler auf dem Niveau von Dima können auch mit weniger Training Top-Leistung bringen», sagte Roßkopf. «Ich bin optimistisch, dass die fünf Spieler, die ich nominieren will, bei der WM topfit sind.»

Zum anderen hat sich bei diesen German Open genau zur richtigen Zeit die zweite Reihe seines Nationalteams in den Vordergrund gespielt. Der Weltranglisten-19. Ruwen Filus schlug in Bremen das japanische Wunderkind Tomokazu Harimoto, und Patrick Franziska erreichte als einziger deutscher Spieler sogar das Halbfinale am Schlusstag.

Dort hielt der 25-Jährige vom 1. FC Saarbrücken auch gegen den Mannschafts-Olympiasieger Xu Xin gut mit und verlor nach sechs ausgeglichenen Sätzen nur knapp mit 2:4. In den Runden zuvor hatte er den Weltranglisten-13. Marcos Freitas (Portugal) und den Düsseldorfer Bundesliga-Profi Kristian Karlsson (Schweden) besiegt.

«Das war ein super Turnier für mich und ist einer der größten Erfolge meiner Karriere», sagte Franziska. «Damit hätte ich nie gerechnet.» In seinem Fall war das sogar mehr als nur eine Floskel. Denn Franziska hatte sein Hotelzimmer nur bis zum Achtelfinale gebucht und auch nicht genügend Trikots für alle Turniertage eingepackt. Ein Teil seiner Prämie von 6750 Dollar ging also für den Wäscheservice drauf.


(dpa)

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