Berlin – Friedhelm Julius Beucher ist seine Vorfreude anzumerken. Denn nicht nur der umtriebige Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) blickt dem Start der Para-Leichtathletik-Europameisterschaften am Montag in Berlin gespannt entgegen.
«Ich freue mich riesig auf das Event. Wir haben so tolle Athleten. Wer jetzt nicht auch mit unseren Sportlern mitfiebert, der hat kein richtiges Herz für den Sport», sagte der 72-Jährige, in dessen Stimme wie immer Enthusiasmus und Leidenschaft mitschwingt, der Deutschen Presse-Agentur.
Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete ist derzeit im Stress: Noch weilt er bei der Rollstuhl-WM in Hamburg, die mit vollen Hallen ebenfalls großen Anklang findet. Dann geht`s in die Hauptstadt. «Ein Para-Super-Sommer, wie er nicht besser sein könnte», sagte Beucher.
In Berlin hofft nicht nur er bis kommenden Sonntag auf zahlreiches Edelmetall für Deutschland. Mit Heinrich Popow, Markus Rehm, Irmgard Bensusan, Sebastian Dietz, Johannes Floors, Niko Kappel, Birgit Kober und Felix Streng stehen acht aktuelle Paralympics-Sieger und Weltmeister im 40-köpfigen deutschen Team, das fast doppelt so groß ist wie bei der WM im Vorjahr.
«Eine Medaillenvorgabe gibt es wie immer nicht. Aber wir gehen in vielen Disziplinen als Favoriten an den Start», sagte Beucher optimistisch. Gold-Favoriten in den 182 Medaillen-Wettbewerben sind Prothesen-Weitspringer Rehm, der kleinwüchsige Kugelstoßer Kappel, 200-Meter-Sprinterin Bensusan und Kugelstoßerin Birgit Kober. Alle vier stellten in diesem Jahr Weltrekorde auf. Der zweifache Paralympics-Sieger und fünffache Weltmeister Heinrich Popow wird bei der Heim-EM, an der mehr als 600 Athleten und Athletinnen aus 40 Nationen teilnehmen, derweil seine einmalige Karriere beenden.
Zwölf Athletinnen und Athleten, darunter auch der frühere Weltklasse-Turner Ronny Ziesmer, feiern im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark ihre internationale Premiere. «Unsere Debütanten haben die Chance, in Kontakt mit der europäischen Spitze zu treten. Sie sollen vor allem lernen. Die EM dient aber auch der Standortbestimmung auf unserem Weg zu den Paralympics 2020 in Tokio», sagte Bundestrainer Willi Gernemann.
Wie er und Beucher hoffen auch die Athleten, dass sie rund eine Woche nach der Leichtathletik-EM im Berliner Olympiastadion etwas von der Aufmerksamkeit und Medienwirksamkeit abbekommen. «Nach Olympia in Pyeongchang ist die Begeisterung auch auf die Paralympics übergeschwappt. Ich erhoffe mir dieses Mal auch, dass von der EM im Olympiastadion was auf unsere EM abfärbt», sagte Beucher.
Beucher, der unermüdlich für seine Para-Sportler sowie eine engere Verzahnung der nichtbehinderten und behinderten Sportler kämpft, träumt derweil von britischen Verhältnissen. Denn in England werden ganz selbstverständlich und prominent die Meisterschaften gemeinsam beworben und ausgetragen. Paralympics-Sieger wie Jonnie Peacock sind Stars. Davon können die Para-Athleten in Deutschland trotz Fortschritten derzeit nur träumen. Auch wenn bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg in diesem Jahr sechs Para-Kugelstoßer einen Show-Wettkampf bestritten und Rehm, Streng sowie Floors nach erfüllter Norm außerhalb der Wertung an den Wettkämpfen teilnahmen.
Ein Negativbeispiel erlebte Beucher bei der EM im Olympiastadion. «Der Europäische Leichtathletik-Verband wollte bei der EM in Berlin nichts von uns wissen, es gab null Kommunikation. Das muss man doch eigentlich nutzen. Aber von einer Selbstverständlichkeit ist der europäische Verband noch meilenweit entfernt. Es kommt mir fast so vor, als wäre er ein Gralshüter alter Zeiten», kritisierte Beucher.
(dpa)