Trier – Aus der ersten Zuschauerreihe verfolgt Franz Wagner das Nationalmannschaftsdebüt seines großen Bruders Moritz mit gebanntem Blick und leuchtenden Augen.
Als Gast durfte der 17-Jährige in Trier zuvor bereits bei den Übungseinheiten der deutschen Basketballer zum Start der WM-Vorbereitung reinschnuppern. «Es war cool, dabei zu sein, zu sehen, wie sie trainieren und die Jungs kennenzulernen. Sie sind NBA-Profis, spielen in der Euroleague», schwärmt der Berliner.
Es gibt nicht wenige Experten, die einem der derzeit größten deutschen Talente eine Karriere auf diesem Extraklasse-Niveau prophezeien.
2018 löste Wagner im Alter von 16 den knapp vier Jahre älteren Moritz als jüngsten Bundesliga-Akteur von ALBA Berlin ab. Vergangene Saison wurde er von der Liga zum besten deutschen Nachwuchsspieler unter 22 Jahren ausgezeichnet, durfte auch in der Eurocup-Finalserie gegen Valencia regelmäßig aufs Parkett, stand im zweiten Liga-Finale gegen den FC Bayern sogar in der Startformation, erzielte dabei als bester ALBA-Werfer 14 Punkte. Ein guter und geschmeidiger Distanzwurf, hohes Spielverständnis sowie Kreativität zeichnen den Flügelspieler aus.
Nun folgt er seinem Bruder auf dem Weg, den dieser zum Sprungbrett in die NBA nutzte. Statt den sicheren Profivertrag bei seinem Heimatverein in der Hauptstadt zu nehmen, geht es Ende August für Wagner zur Universität von Michigan, die auch schon Moritz besuchte.
Allzu viel kluge Tipps will der NBA-Center der Washington Wizards seinem Bruder öffentlich dorthin gar nicht mit auf den Weg geben. «Der Kollege ist ziemlich reif und ziemlich schlau, dass er das für sich selber ganz gut rausfinden kann», sagt Moritz Wagner grinsend, während Franz einen halben Schritt vor ihm hergeht. «Aber die kleinen Sachen – wo bekommt man den Handyvertrag her, wo gibt es das beste Essen, das kann ich ihm schon gut sagen.»
Viel vorgeschwärmt hat er seinem jüngeren Bruder dennoch von den einmaligen Erfahrungen. «Ich habe gemerkt, wie er sich dort zuhause fühlt», sagt Franz. «Das kann man nicht mit einem Verein in Deutschland vergleichen, sie gehen dort alle zur Schule, haben ein ganz anderes Verhältnis dazu. Da freue mich drauf, diese Atmosphäre zu fühlen.»
Michigans Coach Juwan Howard besuchte Wagner zuletzt extra bei der U18-EM in Griechenland, der Ex-NBA-Profi lobt seinen Spieler ausdrücklich. Dieser sei ein «talentierter Guard mit Größe, der einen wundervollen Basketball-IQ und ein wachsendes Arsenal an Fähigkeiten besitzt, das für uns sofort wirkungsvoll sein kann.»
Eigentlich brauchen ausländische Spieler für diese Umstellung auf College-Basketball häufig Anlaufzeit, auch Moritz Wagners erstes Jahr darf im Rückblick vor allem als lehrreich bewertet werden. In seiner dritten Uni-Saison führte er das Team der Wolverines dann bis ins Finale des prestigeträchtigen landesweiten NCAA-Turniers.
Die March Madness, der Wettstreit der besten 64 Collegemannschaften im K.o.-Modus, sind auch ein Sehnsuchtsziel von Franz Wagner. «Da wird ein riesiger Hype drum gemacht, das ganze Land schaut zu, das ist schon geil», sagt er. Wieder ist da dieses begeisterte Leuchten in seinen Augen.
Wie auch bei einem anderen Thema. «NBA ist ein Traum von mir», sagt er, schiebt aber direkt hinterher: «Ich will mich da aber nicht drauf festlegen. Wenn man zu viel daran denkt, ist das nicht gut.» Wenn seine Entwicklung so weitergeht, dürfte Wagner irgendwann die Spiele des Nationalteams nicht mehr vom Rand verfolgen.
(dpa)