Hamburg – Noch-Trainer Hannes Wolf vom Hamburger SV müssen die letzten Tage der laufenden Fußball-Zweitligasaison geradezu grotesk vorkommen.
Der 38 Jahre alte Coach leitet unverändert das Training, sitzt beim abschließenden Heimspiel gegen den MSV Duisburg am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) aber letztmals auf der Bank. Das bestätigte Sportchef Ralf Becker am Mittwoch der «Bild»-Zeitung. Zeitgleich werden im Umfeld schon die Vorzüge möglicher Nachfolger gepriesen.
Becker hält Wolf zwar für «eines der größten deutschen Trainertalente», doch er verriet der «Bild», Wolf wisse bereits seit elf Tagen, dass für ihn beim HSV Schluss ist: «Ich habe Hannes nach dem 0:3 gegen Ingolstadt gesagt, dass es für ihn hier im Sommer nicht weitergehen wird, dass wir etwas anderes machen wollen», erklärte Becker. Die katastrophale Rückrunde mit nur 16 Punkten aus 16 Partien kostet Wolf den Job. Becker: «Wir mussten am Ende überlegen, was das Beste für den HSV ist.» Offiziell mitgeteilt hat der einstige Europapokalsieger den Schritt bislang allerdings noch nicht.
Die Liste der Kandidaten, die Wolf nach dem Scheitern im Aufstiegskampf beerben sollen, ist lang. Wenngleich: Schlange stehen werden sie beim Hamburger Trainer-Verschleiß-Verein nicht. Die Namen von 18 Cheftrainern in den ersten 19 Jahren des Jahrtausends, zu denen der Wolf-Nachfolger nun noch hinzugerechnet werden muss, sind ein erschütterndes Dokument des Scheiterns im Volksparkstadion. Als Referenz für den Arbeitsplatz HSV lässt sich das wahrlich nicht nutzen. Wer setzt sich schon gern auf einen Schleudersitz?
Aus der Gerüchteküche dringt am lautesten der Name Dieter Hecking. Nach Informationen der «Bild»-Zeitung (Mittwoch) hat es bereits einen Anruf des HSV beim Noch-Trainer von Borussia Mönchengladbach gegeben. Hecking wird genau überlegen, ob er als gestandener Erstliga-Coach zu dem seit Jahren erfolglosen HSV in die 2. Liga absteigen sollte. Die Tätigkeit dort verheißt weder prallen Verdienst noch die Aussicht auf Superprofis. Und auf die gelegentlichen Leistungseinschätzungen durch Investor Klaus-Michael Kühne kann der 54-Jährige sicher verzichten.
Der zuvor als Top-Kandidat gehandelte Bruno Labbadia scheint aus dem Rennen. «Damit habe ich mich nicht beschäftigt», sagte der 53-Jährige in einem Interview der «Sport Bild» (Mittwoch) auf die Frage nach einem erneuten Engagement in Hamburg. Er befasse sich derzeit vielmehr mit einem Wechsel ins Ausland, teilte der Noch-Trainer des VfL Wolfsburg mit. Zwei Angebote habe er jedoch bereits abgelehnt, weil ihm «die sportliche Perspektive nicht gefallen» habe.
Labbadia, der zweimal in Hamburg vom Hof gejagt wurde (April 2010, September 2016), obwohl er 2015 als Relegationsretter und «Hamburger des Jahres» gefeiert worden war, ist vermutlich kein Masochist. Eine dritte Demütigung beim HSV gehört wohl nicht zu seiner Lebensplanung. Labbadia: «Wenn nichts Spannendes kommt, mache ich Pause und genieße mein Leben und die Zeit mit meiner Familie.»
Auch Peter Stöger ist Passagier auf dem Karussell. Der 53 Jahre alte Österreicher hat bewiesen, dass er mit schwierigen Vereinen umgehen kann. Von Juli 2013 bis Ende 2017 hatte er beim 1. FC Köln das Kommando. Der anschließende Einsatz bei Borussia Dortmund ging nur ein halbes Jahr gut. Seither ist der Wiener ohne Job. Einen Wiener gab es übrigens schon mal beim HSV: Ernst Happel. Und er soll nicht so erfolglos gewesen sein, sagen die Älteren.
Auf dem Markt ist auch Markus Anfang. Der beim 1. FC Köln kürzlich trotz zurückeroberter Zweitliga-Tabellenführung beurlaubte Coach kennt den Weg aus den Ligen-Niederungen ans Licht. Der frühere Leverkusener Nachwuchstrainer führte Holstein Kiel in einem Rutsch von der 3. Liga bis in die Relegation zur Bundesliga. Beim HSV würde er auf einen alten Bekannten aus Kieler Zeiten treffen: Sportvorstand Ralf Becker, der Anfang einst für Holstein entdeckt hat.
(dpa)