Hockenheimring – Sebastian Vettel hämmerte mit beiden Fäusten wie wild auf sein Lenkrad und musste anschließend im Unwetter über dem Hockenheimring die ausgelassene Freude seines WM-Widersachers Lewis Hamilton ertragen.
Der viermalige Formel-1-Weltmeister verspielte am Sonntag mit einem Abflug im Regen seinen ersten Sieg auf dem Kurs nahe seiner Heimat Heppenheim. Zudem verlor Vettel die WM-Führung an Nutznießer Hamilton, der mit einer weiteren famosen Aufholjagd seine Ambitionen auf den fünften WM-Titel unterstrich.
«Wunder geschehen», funkte die Silberpfeil-Box Hamilton ins Auto. «Es ist natürlich sehr, sehr schwer von dieser Position und höchst unwahrscheinlich, ich habe aber daran geglaubt», sagte der von Rang 14 gestartete Brite. In Führung liegend war Vettel mit seinem Ferrari 15 Runden vor Schluss vor den entsetzten Augen seiner Fans beim vorerst letzten Großen Preis von Deutschland von der nassen Strecke abgekommen und mit seiner Roten Göttin in die Streckenbegrenzung gekracht.
«Ich habe ein kleines bisschen zu spät gebremst, die Hinterräder haben blockiert. Ich ärgere mich sehr über mich selbst, das war ein kleiner Fehler mit einer großen Auswirkung», sagte der deprimierte Heppenheimer. «Es ärgert mich extrem, dass es hier war, weil wir auch das Rennen in der Tasche gehabt hätten.»
Zwei Wochen nach dem Triumph von Vettel in Hamiltons Reich in Silverstone zahlte es ihm der Brite heim und übernahm mit 17 Punkten auch wieder die WM-Führung. Nur 24 Stunden zuvor hatte der 33-Jährige noch fassungslos an seinem Auto gekniet, nachdem ihn der Mercedes in einer völlig verkorksten Qualifikation im Stich gelassen hatte.
Vettel stand schon in Teamkleidung am Kommandostand und klatschte Teamchef Maurizio Arrivabene enttäuscht ab, während der Brite dem unerwarteten Sieg vor seinem Teamkollegen Valtteri Bottas entgegenfuhr. Dritter wurde im zweiten Ferrari Kimi Räikkönen. Nico Hülkenberg feierte indes als Fünfter im Renault sein bestes Saisonergebnis. Hamilton sprang nach seinem unverhofften Sieg überglücklich auf die Boxenmauer, umarmte Daimler-Boss Dieter Zetsche und lauschte im Wolkenbruch auf dem Podium der Nationalhymne.
Dabei startete Vettel aus einer idealen Ausgangsposition ins 77. Rennen der Motorsport-Königsklasse in Deutschland. Dank seiner fünften Pole in diesem Jahr – Nummer 55 in seiner Karriere insgesamt – ging der viermalige Weltmeister als Führender in den Grand Prix. Vettel kam bestens weg und ließ auch Hamiltons Mercedes-Teamkollegen Bottas auf Position zwei weiter hinter sich.
Nach und nach baute Vettel seinen Vorsprung auf den Finnen aus. Den deutschen Fans nicht zuletzt im Motodrom, einem Streckenabschnitt mit Kribbel-Faktor, gefiel das. Vettel natürlich auch, schließlich liegt seine Geburtsstadt Heppenheim nur knapp 50 Kilometer entfernt.
Der Vertrag für den Hockenheimring läuft nach diesem Grand Prix allerdings aus. 2019 gibt es dort kein Rennen; ob es 2020 wieder weitergeht, ist fraglich. Nach vorne ging es indes für Hamilton.
«Wie immer werde ich so fahren, als ob mein Leben davon abhinge», hatte er vor dem Start gesagt. Wie schon vor zwei Wochen bei seinem Heimrennen in Silverstone war eine Aufholjagd gefragt.
Diesmal hatte den Titelverteidiger schon in der Qualifikation ein Hydraulik-Problem ausgebremst. Von Rang 14 musste Hamilton ins elfte Saisonrennen gehen. «Der Plan ist, Sebastian zu schnappen», sagte der 33-Jährige, bevor die Roten Ampeln erloschen. Und Hamilton machte Platz um Platz gut. Nach 14 Runden lag er schon auf Rang fünf.
An der Spitze fuhr Vettel lange einen souveränen Grand Prix. In Runde 26 ließ er sich an seinem Ferrari eine frische Reifenmischung aufziehen. Vettel kam hinter Teamkollege Räikkönen auf die Strecke, blieb aber vor dem Fünften Hamilton.
Für Daniel Ricciardo war kurz danach das Rennen schon beendet. Der zweimalige Saisonsieger musste seinen Red Bull auf Platz sechs liegend wegen eines Motorschadens vorzeitig abstellen. Es war schon sein vierter Ausfall in diesem Jahr.
Nachdem auch Ricciardos Stallrivale Max Verstappen an die Box gekommen war, übernahm Räikkönen die Führung vor Vettel. Dahinter lag Hamilton, der im Gegensatz zum Scuderia-Duo noch keinen Reifenwechsel hatte. «Das ist bescheuert, ich verliere Zeit», klagte Vettel über Funk, dass er Räikkönen hinterherfahren musste und seine Reifen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Eine Sekunde könne er schneller fahren als der Finne, versicherte der Deutsche.
«Kimi, du bist auf einer anderen Strategie unterwegs, und wir hätten gerne, dass du Seb nicht aufhältst», beschied die Ferrari-Box. In Runde 39 war Vettel dann vorbei und lag wieder auf Rang eins. Kurz darauf bekam Hamiltons Wagen frische Reifen.
Für Spannung in der Schlussphase sorgte zunächst einsetzender Regen. Reinkommen an die Box zum erneuten Reifenwechsel oder doch draußen bleiben? Das war die Frage. An Vettels Ferrari flog dann auch noch ein Teil des Frontflügels ab. Es wurde richtig hektisch. Zu allem Übel für die deutschen Formel-1-Fans rutschte Vettel auch noch in der Schlussphase in die Leitplanke. Was für eine Enttäuschung! Nach einer Safety-Car-Phase hielt Hamilton auch Bottas in Schach und fuhr den unverhofften Sieg ein.
(dpa)