Nürnberg – Vegan ist in. Nicht nur beim Essen gilt der Verzicht auf tierische Inhaltsstoffe zunehmend als schick. Auch die Hersteller von Naturkosmetik sehen es als Trend, den es zu nutzen gilt.
Bei der Branchenmesse Vivaness in Nürnberg (15. bis 18. Februar) haben mehr als 100 der knapp 260 Aussteller vegane Produkte im Sortiment. Vor vier Jahren waren es nur knapp halb so viele.
«Das Angebot an solchen Produkten steigt», sagt auch Harald Dittmar, Geschäftsführer des Branchenverbandes BDIH, der eines der wichtigsten Zertifikate für Naturkosmetik in Deutschland vergibt. Der Grund: «Es gibt eine Gemeinde, die das möchte, weil es eben auch konsequent ist.» Diese Verbraucher kaufen vegane Lebensmittel, vegane Kleidung und Schuhe – und eben auch Kosmetik. Den Trend gebe es bereits seit einigen Jahren und noch sei hier kein Ende in Sicht.
Immer mehr Shampoos, Cremes, Reinigungslotionen und Schminkprodukte werden inzwischen deutlich sichtbar als «vegan» gekennzeichnet. Auch in der Werbung werde das Thema stärker herausgestellt, sagt Dittmar. «Vegan» sei mittlerweile ein Verkaufsargument, sagt auch Silva Imken, Sprecherin der Firma Börlind aus Calw nahe Stuttgart. Dabei sei es gerade bei Naturkosmetik wichtig, die Produkte entsprechend zu kennzeichnen: «Weil viele denken: Da sind ja nur Blümchen drin, also ist es vegan.» Das stimmt jedoch nicht. Auch in Naturkosmetik sind tierische Produkte wie etwa Bienenwachs, Milch und Honig erlaubt.
Dennoch ist es für Hersteller von Naturkosmetik relativ leicht, sich vegan zu geben – denn ein Großteil der Produkte ist es ohnehin. «Zwischen 60 und 80 Prozent der Naturkosmetik ist sowieso vegan», sagt die Branchenexpertin und Unternehmensberaterin Elfriede Dambacher. Bei Lavera Naturkosmetik aus Wennigsen nahe Hannover werden nach Angaben einer Unternehmenssprecherin sogar 95 Prozent der Produkte komplett ohne tierische Erzeugnisse hergestellt. «Vegan ist eine Lebenseinstellung», sagt Lavera-Sprecherin Sabine Kästner. «Es ist aber immer noch ein Entwicklungsmarkt», meint BDIH-Geschäftsführer Dittmar. «Nicht alle Anbieter setzen darauf.»
Und das zum Teil aus gutem Grund: Einige tierische Rohstoffe hätten so gute Eigenschaften, dass man sie nicht ohne weiteres ersetzen könne, sagt Börlind-Sprecherin Imken. Beispielsweise Bienenwachs im Lippenstift sorge für eine gute Konsistenz und habe sehr pflegende Eigenschaften. «Alles, was von der Biene kommt, stellen wir nicht infrage», betont Imken. Eine Umfrage unter ihren Kunden habe ergeben, dass der Einsatz von Bienenwachs für die meisten von ihnen auch in Ordnung sei. Imken sagt: «Erstes Ziel ist eine hohe Wirksamkeit. Dann schauen wir uns an, welche Wirkstoffe am besten geeignet sind.» Daher seien nur etwa 65 bis 70 Prozent der Börlind-Produkte vegan.
Neben Bienenwachs, Honig und Milchproteinen wird auch der rote
Farbstoff Karmin für Naturkosmetik verwendet – vor allem in Lippenstiften. Er wird aus Schildläusen gewonnen. «Es ist mir persönlich aber immer noch lieber, ich nehme einen Stoff auf, den mein Körper verstoffwechseln und wieder ausscheiden kann, als einen künstlichen», sagt Dambacher. Wer ein ganz reines Gewissen haben will, muss übrigens noch genauer hinschauen. Die Tierschutzorganisation Peta betont: «Vegan ist nicht automatisch gleichzusetzen mit tierversuchsfrei.»
Zahlen zu veganer Naturkosmetik gibt es derweil praktisch nicht. Der Markt ist zu klein. «Vegane Produkte gehen jetzt auch nicht durch die Decke», sagt Börlind-Sprecherin Imken. Auch Dambacher erläutert: Marken, die ausschließlich vegane Produkte anbieten, seien bisher noch eher klein und nicht so gut verfügbar. Nun habe jedoch eine große Drogeriekette zwei rein vegane Linien ins Sortiment aufgenommen. Wie sich diese dadurch entwickeln, bleibe abzuwarten.
Insgesamt bringen Naturkosmetika und natürliche Pflegeprodukte in Deutschland mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. 2015 kaufte nach Angaben der Konsumforscher der
GfK mehr als jeder fünfte Erwachsene Naturprodukte für Körper- und Gesichtspflege, deren Standards aber nicht einheitlich sind. Die einstige Öko-Nische kommt inzwischen auf etwa ein Zehntel der kompletten Kosmetikerlöse. Konventionelle Konkurrenten wachsen deutlich langsamer. Im Kosmetik-Markt gebe es inzwischen eine Verschiebung zu grünen Produkten, sagt Dambacher: «Die Industrie lobt inzwischen alles aus, was natürlich sein könnte.»
Was ist Naturkosmetik?
Der Begriff Naturkosmetik ist rechtlich nicht geschützt und es gibt keinen gesetzlichen Standard wie etwa beim Bio-Siegel der EU. Die Kosmetika unterliegen Vorgaben zum Inhalt und zur Herstellung, die sich die Branche selbst auferlegt hat.
Der deutsche Branchenverband BDIH vergibt etwa ein Siegel für «Kontrollierte Natur-Kosmetik». Das BDIH- und das «NaTrue»-Siegel erfüllen nach Einschätzung des Rates für nachhaltige Entwicklung im Gegensatz zu vielen anderen Kennzeichen «ein Mindestmaß an Transparenz und Glaubwürdigkeit».
Natur-Kosmetik nach BDIH-Standard darf keine synthetischen Farb- oder Duftstoffe enthalten, keine Silikone, Paraffine oder andere Erdölprodukte. Die Rohstoffe dürfen zudem nicht von toten Wirbeltieren kommen. Nerzöle oder Murmeltierfette sind also beispielsweise verboten. Tierische Produkte wie Milch und Honig sind aber meist erlaubt – vegan ist Naturkosmetik also nicht immer.
(dpa)