Mainz – «Man schlüpft rein, man ist erhabener, man hat ein ganz anderes Auftreten – ich fühle mich damit wohler.» Helge Buchholz aus Mainz klingt selbstbewusst, mutig und gleichzeitig auch ein bisschen überrascht, als er das sagt.
Klack. Klack. Klack. Laut klackernd kündigt sich der 47-Jährige schon von weitem an. Sein Outfit ist durchdacht: Der petrolfarbene Kapuzenpulli passt perfekt zu seinem glänzenden Schuhwerk – circa acht Zentimeter hohe Lack-High-Heels.
Liebe zu Pumps
«Pumps sind die Perfektion der Ästhetik», findet er. «Das ist nichts Verrücktes, nichts Perverses, sondern eine Liebe, die Carry Bradshaw und Co. auch teilen.» Die Hauptfigur aus der amerikanischen Serie «Sex and the City» ist bekannt für ihre Liebe zu teuren Pumps. Das teuerste Paar von Helge hat 160 Euro gekostet. Insgesamt besitzt er über 100 hohe Hacken und damit ist er nicht alleine.
In dem von ihm gegründeten Forum
«Men on High-Heels» (deutsch: Männer auf hohen Schuhen) tauscht er sich mit rund 230 anderen Schuhliebhabern aus dem deutschsprachigen Raum aus – anonym oder mit richtigem Namen. Alle präsentieren sich mit schicken Absatzschuhen auf ihren Profilbildern. Pink, mit Pfennigabsatz, Plateau oder in klassisch schwarzen Pumps posieren die Männerfüße für die Kamera. Im Forum berichten sie über Erlebnisse in High-Heels oder machen interne Umfragen über den eigenen Schuhbestand.
Auch eine Beinrasur wird diskutiert, weil es einfach bequemer unter den Seidenstrümpfen ist oder besser aussieht. Das Forum sei für Männer, die sich über «das Interesse und die Freude an hochhackigen Schuhen» austauschen wollen, steht in der Beschreibung der Seite. Mit einem Fetisch habe das nichts zu tun. Homosexuell sind nach eigenen Umfragen nur wenige von ihnen, die meisten mögen einfach nur High-Heels.
Betonung der Männlichkeit
«Es kann ein Mode-Statement sein, es kann bisschen Provokation sein, oder es kann ein wirkliches Bedürfnis sein», beschreibt Trendforscherin Christiane Vagar den Mann in hohen Schuhen. Der High-Heel hebe die weiblichen Attribute hervor. «Der Gang ändert sich, es wird sexyer, die Hüfte schwingt mit, das Bein wird verlängert.»
Das schätzt auch Helge Buchholz an dem Schuh. Er fühle sich nicht weniger männlich auf High-Heels. Vielmehr bestärke es ihn in seiner Männlichkeit. «Es gehört eine Portion Mut und Eier dazu.»
Das erste Mal mit High-Heels in der Öffentlichkeit war für viele aus dem Forum eine Überwindung. Ein Mann aus Dresden schrieb, er habe sich schließlich getraut, morgens um halb fünf mit zehn Zentimetern Absatz unter den Füßen einen Brief einzuwerfen. Allerdings habe er sich noch ein bisschen unbeholfen in den hohen Hacken bewegt. Unter dem Eintrag reihen sich die Gratulationen von Männern hinter High-Heel-Fuß-Profilfotos, die Ähnliches erlebt haben. Unter ihnen ein Bild mit einem knalligen, pinken Paar – die Füße und Schuhe von Buchholz.
Auch er tat sich am Anfang schwer. Mit elf oder zwölf Jahren habe er seine Liebe zu den hohen Schuhen der Mutter entdeckt. «Seitdem bin ich dem Ganzen verfallen», sagt er verschmitzt. Mit 18 Jahren kaufte er sich dann das erste Paar. Das musste damals schnell gehen, war mit viel Stress und Überwindung verbunden. Am Schlimmsten aber war: Die gekauften Pumps passten nicht. Jetzt fühle er sich mit hohen Schuhen sicher und wohl in seiner Haut und auf der Straße. Auch seine Familie – seine Frau und Kinder -, einige Freunde und Kollegen wüssten davon. «Ich mag die Schuhe, ich trage sie gerne und das ist es ja dann auch.» Diese Erklärung sei für die meisten ausreichend.
Ein Trend für den Modemarkt?
High-Heels für Männer sind ein Markt, den auch Christian Bush für sich entdeckt hat. Der Schuhdesigner aus Mainz gestaltet den High-Heel für den modebewussten Mann. Der oftmals sehr schmale Frauenschuh sei nicht so geeignet für breite Männerfüße. Er will den hohen Absatz für den Mann alltagstauglich machen. Selbst trage er sie eher selten. Seit Januar verkauft Bush unter dem Label
«Cross Sword» Schuhe online. Der hohe Schuh für den Mann ist dezent, wie Anzugschuhe mit schmalem hohen Absatz.
«Gender Equality (deutsch: Geschlechtergleichheit) ist nicht frauenbezogen, sondern dürfte auch die Männer umfassen», findet Buchholz. Da sei in der Gesellschaft noch ein bisschen was zu tun.
Trendforscherin Christiane Vagar sieht den Mann auf hohen Hacken derzeit auch als Trendphänomen. Allerdings sei es auch ein Zeichen von gesellschaftlichem Wandel, wenn nicht nur Frauen stöckeln. «Die Geschlechtszugehörigkeit ist nicht mehr so festgelegt.» Es zeigt sich ein Trend der Individualisierung; man wolle nicht mehr in starren Normen leben und sei freier. «Wenn Frauen Boyfriend-Jeans tragen, kann ich auch Pumps tragen», findet Buchholz.
Am Ende eines langen Tages sei das Geschlecht egal, jeder freue sich, endlich die High-Heels auszuziehen, sagt Buchholz. «Schuhe aus, Luft ran und gut sein lassen», ist der Tipp des Schuhliebhabers. Trotz Liebe zum Absatzschuh trägt er meistens Turnschuhe.
(dpa)