Berlin/Bocholt – Rezepte können einen in den Wahnsinn treiben. Jeder, der schon einmal drei Läden nach Garam masala erfolglos abgesucht hat, weiß das. Oder das Rezept verlangt nach 50 Gramm frischem Spinat, im Supermarkt gibt es aber nur 500-Gramm- Beutel.
Eine Lösung für das leidige Zutaten-Problem bei Rezepten bieten die Erfinder von fertigen Kochboxen: Darin sind alle Zutaten portioniert verpackt.
Das Prinzip funktioniert bei allen Anbietern ähnlich: Auf der jeweiligen Internetseite kann man fertig gepackte Boxen im Abonnement auswählen – entweder für zwei oder vier Personen, mit nur vegetarischen Zutaten oder mit Fisch und Fleisch. Ausgewählt werden kann dann weiter, wie viele Gerichte pro Woche es sein sollen. Preislich gesehen liegt die Spanne bei Gerichten für zwei Personen pro Mahlzeit zwischen rund 6 und 10 Euro. Günstiger wird es bei allen Anbietern, je mehr Wochengerichte bestellt werden.
Seit 2010 ist der Anbieter
Kochhaus auf dem Markt. Das Besondere an dem Berliner Unternehmen ist, dass es nicht nur online Lebensmittel versendet, sondern in einzelnen Städten auch Läden betreibt – unter anderem in der Hauptstadt, in Frankfurt am Main, München und Köln. Dort können sich Kunden zu den einzelnen Rezepten ihre Zutaten auch selbst zusammenstellen, wie Pressesprecherin Friederike Klasen erklärt. Die Kochhausangebote zielten vor allem auf berufstätige Menschen mittleren Alters ab, denen die Zeit zum Kochen fehlt – die aber trotzdem Wert auf gutes Essen legen. Das Kochhaus ist nicht der einzige Anbieter:
Hello Fresh,
Kochzauber und
Marley Spoon sind ebenfalls auf dem Markt, allerdings ohne eigene Läden.
Wirklich falsch machen können Verbraucher mit einer Kochboxbestellung nichts, wie Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern erklärt. «Die Rezepte sind abwechslungsreich, es bleiben keine Lebensmittel übrig.» Die Schritt-für-Schritt Anleitung ist auch für Kochanfänger machbar. Bei einem Marktcheck der Verbraucherzentrale Berlin haben alle fünf getesteten Anbieter gut abgeschnitten. Positiv fiel den Verbraucherschützern außerdem auf, dass Abos problemlos beendet oder pausiert werden können.
Ein paar Negativpunkte gibt es aber: Der Preis liegt natürlich deutlich über dem, was man sonst für ein selbst gekochtes Gericht ausgeben würde. Weiterer Minuspunkt: Oft bleibt mehr Verpackungsmüll zurück als beim Supermarkteinkauf. Und: Obwohl die Kochboxen eigentlich ideal für Singlehaushalte erscheinen, bietet keines der Unternehmen eine solche Boxgröße an. Hello Fresh begründet dies auf seiner Homepage damit, dass die Lieferung kleiner Portionen zu kompliziert und nicht zu einem vernünftigen Preis möglich sei.
Zwar listen die Anbieter die gelieferten Zutaten pro Rezept auf ihrer Webseite auf, allerdings gibt es nur wenig konkrete Hinweise, woher die Sachen kommen, kritisiert Margret Morlo vom Verband für Ernährung und Diätetik. «Der Verbraucher weiß zum Beispiel nicht, wie lange das Gemüse zwischengelagert wurde, oder wie hoch der Bioanteil ist.» Während sich die Transportwege in Städten kurz halten lassen, sehe es in ländlichen Gebieten vermutlich anders aus: «Da ist dann die Frage, wie lange sich etwa Milchprodukte halten, wenn ich die im Hochsommer bestelle.» Auch Verbraucherschützerin Krehl sieht das Problem: «Bei frischen Produkten gibt es kein Widerrufsrecht.» Reklamieren sollten Kunden nicht mehr so frische Zutaten beim Kundendienst des jeweiligen Anbieters aber in jedem Fall.
Und wie bewerten professionelle Köche die Erfindung der Kochbox? Positiv, wenn man Alexander Huber fragt. Er ist Chefkoch und Inhaber des Restaurants «Huberwirt» in Pleiskirchen (Oberbayern). «Die Kochbox kann vielleicht die Fertigpizza- und Baguettejünger abholen», glaubt er. Für Koch und Caterer Oliver Koy aus Berlin greift die Kochbox vor allem das auf, woran es vielen fehlt: Ruhe und Zeit zu haben, um über den Wochenmarkt zu schlendern, sich über Zutaten zu informieren und das zu kochen, worauf man gerade Lust hat. «Mit solchen vorgefertigten Sachen wird es einem eben sehr leicht gemacht.» Für ihn selbst käme die Box aber nicht in Frage. «Ich mache lieber alles frisch, auch Fleischbrühe oder Früchtesirup.»
(dpa/tmn)