Köln – Es mag ein wenig zugeknöpft wirken, nach all den entblößten Männerbrüsten in Shirts mit V-Ausschnitten. Auf einmal geht der Stoff wieder bis unters Kinn: Der Rollkragenpullover wird als der Modetrend für den Mann gehandelt.
Was manche vor allem mit der lästigen Vorstellung von kratzender Haut und schwitzendem Nacken verbinden, soll zur legeren Alternative zum Hemd werden. Denn der Rolli hat klassischerweise den gleichen Platz: unter dem Anzugsakko.
Die «Koalition von Rollkragenpullover und Anzug», nennt Gerd Müller-Thomkins, vom Deutschen Mode-Institut in Köln die Kombination. «Das ist interessant, weil es einen Bruch kommuniziert», führt er aus. Der Anzug ist ein Business-Teil, der Rolli dagegen casual. «Strick ist dehnbar, nicht steif, das gibt eine gewisse Dynamik.» Ursprünglich kommt der Rolli schließlich aus dem Sportbereich, auch Seefahrer verließen sich auf den wärmenden Pullover als Schutz gegen Wind und Gischt.
Das schlichte Kleidungsstück ist aber auch bei Bohemiens und Intellektuellen beliebt. «Rollkragen wird immer von Kreativen getragen, er ist non-konformistisch», findet Müller-Thomkins. Auch eine androgyne Note könne man dem Pullover zuschreiben. Durch die schlichte, funktionale Form funktioniert er fast wie ein Einteiler. Schals oder Krawatten werden überflüssig. «Purismus» ist es daher, was den Rolli charakterisiert, so Müller-Thomkins. «Schal oder Krawatte sieht viel opulenter aus.»
Während der Rolli in den vergangenen Jahren nur selten in Erscheinung getreten ist, sind die Winterkollektionen nun voll von hohen Krägen. «Der Rollkragen ist im Peak», hat auch André Bangert vom Branchenmagazin «Textilwirtschaft» beobachtet. Und zwar in verschiedenster Ausführung: Gerollt oder als stehender Turtle-Neck, eng anliegend oder locker fallend in Schaloptik, mit Kordeln, Reißverschluss oder Knopfleiste. Die Kombinationsmöglichkeiten sind ebenfalls vielfältig: Er passt zu Anzug, Sakko, Hemd oder im Lagen-Look zum Sweater mit V-Ausschnitt.
«Der Stehkragen ist eine tolle Alternative, wenn man nicht ganz so viel Stoff am Hals haben möchte», erklärt Bangert. Etwas weitere Formen wirken dagegen lässiger und gehören mehr in den Freizeitbereich. Dazu gehören zum Beispiel Modelle in leichtem Strick oder mit weit fallendem Kragen. Entscheidend für die Wirkung ist auch das Material: «Wir haben die feine Ecke mit Kaschmir oder Alpaka und die sportliche Variante aus Wolle oder Baumwolle», erklärt René Lang, Präsident vom Netzwerk deutscher Mode- und Textil-Designer in Würzburg.
Auch wenn der Klassiker die schwarze, körpernahe Variante bleibt – mit dem Rolli kann der Träger sich an Farbe wagen. Für den Herbst schlägt Bangert Modelle in Currygelb oder Brauntöne vor. «Da sind Farben möglich, die würde man sich bei einem Hemd nie trauen.»
«Der Rollkragenpullover ist ein Zwischending aus T-Shirt und Hemd», fügt er hinzu. T-Shirts seien der jungen Generation vorbehalten, Hemden klassisch schick. Der Rollkragen sei daher momentan das Mittel der Designer, um Anzug und Sakko modern zu gestalten. «Er signalisiert eine unheimliche Wertigkeit», findet Bangert. Und er passt zur schlanken Silhouette, die die Männermode gerade dominiert.
Für einen wirklich «informierten» Look, wie Bangert es nennt, schlägt der Modeexperte folgende Variation vor: «Eine lässige Hose, mit Bundfalten und konischem Schnitt in höherer Leibhöhe, darauf einen ganz schlanken Rolli – das gibt eine moderne Silhouette.» Denn: Die schmale Passform Slim fit schleicht sich langsam davon, beobachtet Modeexperte Lang. Wer zum engen Rolli Skinny-Jeans trägt, ist also modisch nicht mehr ganz aktuell.
Insgesamt gilt aber: Den Rolli muss man mögen. Und er ist auch nicht für jeden Träger etwas. Ganz klar gilt natürlich: «Wenn man gar keinen Hals hat, wird es problematisch», so Lang. Und wie bei allen figurbetonenden Formen sind Bauchumfang und eventuelle Rettungsringe auch nicht ganz unerheblich. Auch der momentan so hippe Bartwuchs hat seine Tücken: «Mit stoppeligem Kinn fängt der Kragen schnell an zu fusseln», erklärt Lang. Dafür kaschiert der Rolli elegant ein Doppelkinn oder Falten am Hals.
Lang glaubt allerdings, dass der Pullover noch etwas braucht, um sich in der breiten Masse durchzusetzen. «Momentan wird man noch etwas schräg angeguckt», meint er.
(dpa/tmn)