«Nicht so schwarz sehen»: Nada-Chefin macht für Olympia Mut

Bonn – Nada-Chefin Andrea Gotzmann hat den sauberen Athleten nach dem Dopingkontroll-Stillstand die Angst vor noch schmutzigeren Olympischen Spielen in Tokio 2021 als bisher etwas genommen.

«Ich würde da nicht so schwarz sehen», sagte die Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur auf ihrer per Video übertragenden Jahrespressekonferenz. «Es wird sehr schwer werden, aber die Phase bis zu den Olympischen Spielen ist noch sehr lang.»

Dazu müssten nach mehr als zweimonatiger Test-Pause wegen der Coronavirus-Pandemie die Systeme so schnell wie möglich ans Laufen gebracht werden, um Klarheit und Sicherheit zu schaffen. «Mit ein bisschen Fantasie können wir ein Kontrollsystem aufbauen, das in so einer schwierigen Situation wie in der Pandemie auch seinen Namen verdient», meinte Gotzmann. «Ich bin aber auch froh, wenn man unser Dopingkontrollsystem vermisst», befand sie.

Der Lockdown und die die Folgen der Corona-Krise seien auch für Doper neue Erfahrungen. Ohne Wettkämpfe, ohne Wettkampfplan und ohne Training während des Lockdowns fehle auch den Betrügern die Motivation. «Einfach zu Hause sitzen und dopen, kein Ziel zu haben und nichts tun zu können, ist nicht der Weg, den wir vom Doping kennen», sagte Gotzmann.

Schwieriger wird es sein, die Chancengleichheit wie bei der auf einen zeitnahen Termin verlegten Tour de France (29. August bis 20. September) zu gewährleisten. «Da wird es Lücken geben», meinte Gotzmann – aber auch Möglichkeiten, sie nicht zu groß werden zu lassen. Zum Beispiel durch den biologischen Blutpass, Steroidprofile von Athleten, Einlagerung von Proben und eine erhöhte Qualität der Tests. Der Rad-Weltverband und die Anti-Doping-Organisationen würden alles daran setzen, «das System wieder ans Laufen zu bekommen».

Seit dem 18. Mai fährt die Nada die Trainingskontrollen wieder in Stufen hoch. Zunächst wurden die Athleten der Risikosportarten wieder getestet. «Wenn es sich so weiterentwickelt und die Lage es zulässt, werden wir ab dem 8. Juni wieder den normalen Umfang von Trainingskontrollen haben und auch die bei Wettkämpfen, wo es sie gibt, wieder aufnehmen», erklärte Gotzmann.

Bei den Geisterspielen der Fußball-Bundesliga sind bereits Kontrolleure im Einsatz. «Wir werden sehen, wo wir Kontrollen nachholen und intensivieren können, wo wir noch mehr Zusatzkontrollen auf EPO- oder das Wachtumshormon machen können.»

Welchen Umfang das Kontrollsystem und das Aufspüren von Dopern hat, wenn alles unbeeinträchtigt läuft, zeigt der Nada-Jahresbericht für 2019. Insgesamt entnahm die Nada bei 12.910 Kontrollen während des Trainings und bei Wettkämpfen 17.498 Proben (2018: 16 299). 82 Verfahren wurden wegen möglicher Verstöße gegen die Anti-Doping-

Bestimmungen eingeleitet. Dabei wurden 16 Sanktionen – zwei mehr als 2018 – verhängt. Der coronabedingte Test-Stillstand werde sich auf die Statistik für 2020 auswirken. «Die Kontrollen bei Wettkämpfen machen 40 Prozent aus, die sind nicht mehr aufzuholen, weil es keine Wettkämpfe und absehbar nicht geben wird», erklärte Gotzmann.

Einen «positiven Effekt der Corona-Krise» sieht Nada-Justiziar Lars Mortsiefer. Das von Russland angestrengte Berufungsverfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof gegen den Ausschluss von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften in den nächsten vier Jahren wird nach der Verlegung der Tokio-Spiele auf 2021 wohl nicht mehr für Unruhe sorgen. «Ich glaube schon, dass es der Welt-Anti-Doping-Agentur in die Karten spielt», sagte Mortsiefer. Bisher hat das Verfahren vor dem Cas wegen der Pandemie aber noch nicht begonnen.


(dpa)

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