München – Wenn Alphonso Davies auf dem Fußballplatz den Turbo zündet, gerät auch ein Bayern-Urgestein wie Thomas Müller stets aufs Neue ins Staunen.
Dabei hat der Routinier in München jahrelang Raketen wie Arjen Robben und Franck Ribéry auf den Flügeln wirbeln gesehen. Der 19-jährige Davies verkörpert aber eine neue Dimension.
«Mit seinem Speed ist es selbst bei unserer Highspeed-Fraktion, die wir schon vorher hatten, noch einmal eine Stufe mehr», sagte Müller über Davies, den bei seinem rasanten Aufstieg in dieser Saison erst die Corona-Pandemie stoppen konnte – aber sicher nur vorübergehend.
Davon sind jedenfalls die Bosse beim FC Bayern überzeugt, wie die vorzeitige Vertragsverlängerung mit dem Jungstar um zwei Jahre bis 2025 beweist. «Wer bereits in so jungen Jahren beim FC Bayern konstant auf Top-Niveau spielen kann, kann eine große Karriere vor sich haben», sagte etwa der künftige Vorstandschef Oliver Kahn.
Seit Hansi Flick beim deutschen Rekordmeister Cheftrainer ist, ist der kanadische Nationalspieler zur Stammkraft aufgestiegen – aber nicht vorne links, sondern hinten links. Weil in der Abwehr Not am Mann war, versetzte Flick Außenverteidiger David Alaba nach innen. Davies kam so ins Team und nutzte seine Chance. In den letzten 23 Pflichtspielen stand er immer in der Startelf, nur Torwart Manuel Neuer kommt unter Flick auf mehr Einsatzminuten im Bayern-Kader.
Stolz präsentierte Davies nach der Unterschrift des neuen Vertrages ein rotes Trikot mit der Zahl 2025. Er spricht von einem «Traum», den er in München lebt. «Das Hauptziel ist, so viele Titel zu gewinnen wie möglich», sagte er typisch Bayern-like.
Davies ist schon jetzt ein Liebling der Fankurve, wie einst Robben oder Ribéry. Im Februar wählten ihn die Bayern-Anhänger zum Spieler des Monats. Bisweilen rennt er noch ungestüm die linke Außenbahn rauf und runter. Aber mit seiner Dynamik, seiner Energie und besonders dem Herzen, mit dem er spielt, reißt er alle mit und begeistert.
«Er ist ein absolut guter Junge, der jeden Tag an sich im Training arbeitet», sagte Hasan Salihamidzic am Abend nach dem 3:0 beim FC Chelsea über Davies. Beim Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale war Davies einer der Besten. Er ist jetzt der beste Transfer in der dreijährigen Amtszeit von Salihamidzic. Im Sommer 2018, als die Bayern auf Werbetour in die USA reisten, flog der Sportdirektor mit Chefscout Marco Neppe und Vereinsjurist Michael Gerlinger zunächst nach Kanada und machte in Vancouver den Davies-Transfer fix.
In der Major League Soccer hatten sie Davies mehrfach beobachtet. «Wir haben uns sofort auf ihn gestürzt», berichtete Salihamidzic. Die rund zehn Millionen Euro Ablöse an die Vancouver Whitecaps waren viel Geld für einen 17-Jährigen. Es hat sich gelohnt. Davies‘ Marktwert hat sich vervielfacht, sein neuer Verdienst ist angepasst worden. «Mit dem neuen Vertrag wollen wir ihm gegenüber eine Wertschätzung aussagen», bemerkte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge.
Davies‘ Weg ist außergewöhnlich. Er kam am 2. November 2000 in einem Aufnahmelager für Flüchtlinge in Ghana zur Welt. Seine Eltern waren vor dem Bürgerkrieg in ihrem Heimatland Liberia geflohen. 2005 zog die Familie im Zuge eines Umsiedlungsprogramms nach Kanada. In Edmonton wuchs Davies aber weiterhin in armen Verhältnissen auf. Jetzt ist er mit 19 Millionär – ein modernes Fußballmärchen.
Unter Flick soll Davies weiter reifen. «Aufgrund seiner enormen Geschwindigkeit ist er auf der Außenbahn extrem wichtig», sagte Kahn: «Er kann diesen typischen FC-Bayern-Fußball mitspielen.»
Salihamidzic wird auf ihn achten. «Wir passen auf, dass er mit den Füßen am Boden bleibt.» Gerade jungen Spielern müsse man aber «auch die Ups und Downs erlauben». Auch Müller will aufpassen, wie er sagte: «Phonzy weiß Bescheid: Wenn er einen Millimeter nachlässt, bin ich hinter ihm und beiß‘ ihm in die Waden – wenn ich ihn erwische.»
(dpa)