Tokio – Das Trainingszentrum für Japans Olympia-Kandidaten geschlossen, die Olympische Flamme an einem geheimen Ort verwahrt und Olympia-Gastgeber Tokio im Notstand – an diesem Mittwoch wären es noch 100 Tage bis zu den Olympischen Spielen in Japans Hauptstadt gewesen.
Doch selbst die Verschiebung der Spiele wegen der Corona-Pandemie um genau ein Jahr auf 2021 erscheint einigen Olympia-Machern weiter fragwürdig.
Werden das Virus bis dahin aus der Welt und die Spiele somit sicher sein? Selbst die Olympia-Organisatoren scheinen nicht ganz überzeugt davon. «Ich denke nicht, dass irgendjemand sagen könnte, ob die Pandemie bis nächsten Juli unter Kontrolle gebracht werden kann oder nicht, sagte der Chef des Organisationskomitees, Toshiro Muto. «Wir sind sicherlich nicht in der Position, eine klare Antwort zu geben.»
Für den Fall, dass die Spiele noch einmal verschoben werden müssten, gibt es «keinen Plan B», erklärte Masa Takaya, der Sprecher des Organisationskomitees, am Dienstag. «Wir arbeiten auf das neue Ziel hin», sagte Takaya bei einer Telefonkonferenz.
Vor wenigen Tagen hatte Japans rechtskonservativer Ministerpräsident Shinzo Abe angesichts steigender Infektionszahlen den Notstand für den Großraum Tokio und andere Provinzen ausgerufen. Harte Ausgangssperren wie in Europa bedeutet das aber nicht, Japan handhabt das laxer. Viele Menschen fahren weiter wie gewohnt mit Bus und Bahn zur Arbeit, auch weil Japans Wirtschaft in Sachen Homeoffice hinter anderen Ländern hinterher hinkt. Inzwischen zählt das Land über 7700 Infektionsfälle, mehr als 2100 davon entfallen auf die besonders betroffene Hauptstadt Tokio.
Daher waren Fragen immer lauter geworden, ob es nicht besser gewesen wäre, die Olympischen Spiele um zwei Jahre statt um ein Jahr zu verschieben. Diese Frage stellte auch Yoshiro Mori, Präsident des Organisationskomitees, dem Ministerpräsidenten Abe. Doch dieser habe auf 2021 bestanden, schilderte Mori in einem Interview der Tageszeitung «Asahi Shimbun».
Eine neue Schutzimpfung werde bis dahin verfügbar sein, soll Abe ihm versichert haben. «Ich hatte das Gefühl, dass er mit 2021 zockte», wurde Mori, selbst einst Regierungschef und Parteifreund Abes, zitiert. Einige Mitglieder im Vorstand des Organisationskomitees hätten eine Verlegung um zwei Jahre befürwortet.
Mori stellte laut der Zeitung auch die Frage, ob man auch Japans politischen Kalender berücksichtigen müsse. Er bezog sich damit auf den Umstand, dass Abes Amtszeit im September 2021 endet. Würden die Spiele 2022 stattfinden, könnte sich Abe nicht mehr damit im Amt schmücken. Darüber solle sich Mori nicht so viele Gedanken machen, soll Abe lächelnd erwidert haben. Das Gespräch der beiden fand 30 Minuten vor dem Telefonat zwischen dem Premier und IOC-Präsident Thomas Bach statt, bei dem sich beide Seiten auf die Verschiebung der Spiele bis Juli 2021 geeinigt hatten.
Zu Spekulationen, die Spiele könnten wegen der weiteren Ausbreitung des Coronavirus auch 2021 nicht in Tokio stattfinden, hat sich Bach bisher nicht konkret geäußert. «Die oberste Priorität bleibt natürlich die Gesundheit der Athleten und aller an den Spielen Beteiligten sowie die Eindämmung des Virus. Daran werden wir uns auch in allen zukünftigen Entscheidungen orientieren», sagte der IOC-Chef.
Eine Verlegung ins Jahr 2022 sei aus Sicht des Gastgebers Tokio nicht denkbar gewesen. «Das ist eine Mammutaufgabe für das Organisationskomitee und für das Land», hatte Bach der «Welt am Sonntag» gesagt. Die Kosten der Verschiebung seien «im Moment noch nicht absehbar». Auf das IOC kämen aber Zusatzkosten von mehreren Hundert Millionen Dollar zu, ergänzte der IOC-Präsident.
Was aber, wenn das Virus bis 2021 nicht unter Kontrolle ist? Werden die Spiele dann abgesagt? «Darüber will ich jetzt nicht nachdenken», sagte Mori. «Die Menschheit würde aussterben, wenn es keinen Fortschritt in Wissenschaft und Technologie gäbe», erklärte Mori. «Alles, was wir tun können, ist hart zu arbeiten, um die Spiele vorzubereiten. Wir hoffen, dass die Menschheit bis kommendes Jahr die Krise überwunden hat», unterstrich Direktor Muto.
(dpa)