Federer wirft Djokovic raus – Zverev unter Druck

London – Roger Federer hüpfte kurz in die Luft, streifte sich die schwarze Trainingsjacke über und genoss nach seinem Gala-Auftritt gegen Novak Djokovic den Klassiker «Heroes» von David Bowie über die Hallen-Lautsprecher.

Mit einem 6:4, 6:3 erreichte der 38 Jahre alte Tennisprofi aus der Schweiz nicht nur das Halbfinale beim Turnier der acht Jahresbesten. Federer gelang an einem denkwürdigen Abend in der Londoner O2-Arena auch eine eindrucksvolle Wimbledon-Revanche und der erste Sieg gegen Djokovic seit vier Jahren. «Ich könnte gerade nicht glücklicher sein. Ich habe es genossen und unglaublich gespielt», sagte Federer nach 72 Minuten.

Einen Tag vor dem nicht minder brisanten Vorrunden-Finale in der anderen Gruppe mit einer Halbfinal-Chance für Alexander Zverev, Rafael Nadal und Daniil Medwedew sorgte Federer quasi nebenbei noch dafür, dass Nadal Platz eins der Weltrangliste auch am Jahresende behält. «Es war eine großartige Atmosphäre», sagte Federer zu den fast 18.000 Fans, deren Sympathien recht eindeutig verteilt waren.

Nach einem Auftritt der Extraklasse zog er als Gruppenzweiter hinter dem Österreicher Dominic Thiem in das Halbfinale am Samstag ein. Im 49. Vergleich mit Djokovic war es der 23. Sieg für Federer – und was für einer! Erstmals seit dem Gruppenspiel 2015 bei den ATP Finals schlug Federer wieder Djokovic. Auf die Frage, was er anders gemacht habe als bei der dramatischen Niederlage im Wimbledon-Finale und den vergebenen zwei Matchbällen antwortete Federer unter kollektivem Lachen der Fans: «Diesmal habe ich den Punkt beim Matchball gemacht.»

Kein Platz blieb leer in der O2-Arena im Osten Londons, als die beiden langjährigen Rivalen die Arena betraten – wie immer bei diesem Event inszeniert mit reichlich Getöse und Lichteffekten. Das Match bestätigte die Einschätzung von Beobachter Boris Becker, der von «einem der besten ATP Finals seit Jahren» gesprochen hatte und auch mit Blick auf den Dauerbrenner Djokovic gegen Federer im Interview des Senders Sky sagte: «Also viel besser wird’s nicht im Tennis.»

Viel besser als in dem ersten Satz ging’s auch nicht bei Federer. Zum 2:1 gelang ihm das Break, nach 35 Minuten entschied er den ersten Durchgang mit einem Ass und einem Zu-Null-Spiel für sich. Der Schweizer leistete sich im ersten Durchgang nur einen einzigen leichten Fehler. Er kontrollierte und dominierte eine Vielzahl der Ballwechsel, schlug bärenstark auf und ließ sich auch von den wildesten serbischen Fanrufen zwischen den Punkten nicht beunruhigen.

Im ersten Spiel des zweiten Satzes boten sich Federer wieder zwei Breakbälle, die er aber vergab. «Let’s go, Roger»-Sprechchöre wechselten sich mit «Nole»-Rufen ab. Beim Stand von 1:2 wehrte Federer einen Breakball nach einem spektakulären Ballwechsel ab – und nahm seinerseits gleich im nächsten Spiel Djokovic das Service ab.

Mit der simplen Überschrift «Showdown» hatten die Turnierveranstalter ihr Tagesprogramm in Hochglanzoptik überschrieben. Und das abendliche Duell hielt das Versprechen bis zum letzten Ballwechsel.

Auf ein ähnliches Spektakel dürfen sich die Zuschauer auch am Freitag freuen – wenngleich nicht in der Reinform des direkten Duells um das Weiterkommen, sondern in einer komplizierten Dreierkonstellation. Gewinnt Zverev nach dem Sieg gegen Nadal und der Niederlage gegen Stefanos Tsitsipas am Freitag (21.00 Uhr) auch die «Mammutaufgabe» (Boris Becker) gegen Medwedew, steht er im Halbfinale – unabhängig vom Ausgang der Partie zwischen dem Weltranglisten-Ersten Nadal und dem bereits qualifizierten Tsitsipas (15.00 Uhr/alle Sky).


(dpa)

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