Mexiko-Stadt – Auf den letzten Metern zum sechsten WM-Triumph hat Lewis Hamilton auch eine plötzliche Sinnkrise im Eiltempo abgeschüttelt.
Die nächste Titel-Fiesta in Mexiko lockt, da kann der Superstar der Formel 1 so ein Gefühlstief nicht brauchen. Also schickte der 34-Jährige schnell eine «Botschaft der Positivität» in die Weiten des Internets, um vor dem viertletzten Saisonlauf am Sonntag die Sorgen um seinen Gemütszustand zu zerstreuen.
Kurz nach dem erneuten Gewinn der Team-WM mit Mercedes zuletzt in Japan hatte Hamilton selbst die Irritationen ausgelöst, als er in den sozialen Netzwerken seinen tiefen Verdruss über den Lauf der Welt teilte und vom Aufgeben sprach. Auch Arbeitgeber Mercedes reagierte überrascht, zumal der Rennstall und sein Chefpilot sportlich auf dem Gipfel des Erfolges stehen.
Nur Teamkollege Valtteri Bottas kann Hamilton rechnerisch noch die WM nehmen, realistisch ist das bei 64 Punkten Vorsprung des Briten aber nicht. Holt der Titelverteidiger in Mexiko 14 Punkte mehr als der Finne, ist er schon wieder Weltmeister.
Warum also dieser Seelenschmerz? «Es macht mich traurig, wenn ich darüber nachdenke, wo diese Welt hinsteuert», schrieb Hamilton. «Die Welt ist ein kaputter Ort.» Umweltverschmutzung, Klimakrise, das Versagen beim Artenschutz – immer öfter nutzt Hamilton seinen Status als Weltstar, um auf Probleme hinzuweisen. Dabei nimmt er auch die Kritik in Kauf, dass es um seine eigene Ökobilanz als Rennfahrer mit Jet-Set-Lebensstil nicht gerade zum Besten steht.
«Ich will, dass mein Leben eine Bedeutung hat», ließ Hamilton wissen. «Ein Teil der Probleme zu sein, das ist nicht bedeutend; Teil der Lösung zu sein hingegen schon», fügte er hinzu und warb einmal mehr für eine vegane Lebensweise.
Widerstände überwinden, Grenzen verschieben, ein Erbe hinterlassen – das scheint für Hamilton auch abseits der Rennstrecke immer wichtiger zu werden. Mercedes-Teamchef Toto Wolff weiß längst, dass er dem Briten zwischen den Rennen Freiheiten gewähren muss – und sei es für die Sinnsuche und den Wechsel in die Weltverbesserer-Rolle. «Er ist jedes Jahr erwachsener geworden, mit weniger emotionalen Schwankungen», sagte Wolff schon im Sommer.
Der Wechsel von McLaren zu Mercedes zur Saison 2013 hat der Karriere des Lewis Hamilton den entscheidenden Schub gegeben. Mit dem Gewinn seiner sechsten WM-Krone wird er die Formel-1-Ikone Juan Manuel Fangio (5) hinter sich lassen. Im nächsten Jahr könnte er dann zu Rekordmann Michael Schumacher (7) aufschließen. Mit inzwischen 82 Siegen scheint auch eine weitere unwirkliche Schumi-Bestmarke (91) für Hamilton in Reichweite.
Die sportlichen Ziele gehen dem rastlosen Champion also vorerst nicht aus. In Mexiko zum Beispiel hat er zwar in den vergangenen beiden Jahren jeweils vorzeitig den Titelgewinn gefeiert, dabei aber jeweils die Pole Position und den Rennsieg klar verpasst. «Mexiko ist unsere Achillesferse, wahrscheinlich unser schwächstes Rennen des Jahres», stellte Hamilton fest. So ganz wird der WM-Spitzenreiter in diesen Tagen die Zweifel dann doch nicht los.
(dpa)