Doha – Die Pause zwischen Speerwurf und 1500-Meter-Lauf war für Niklas Kaul die Zeit des Zweifelns gewesen.
«Vor dem Lauf hatte ich Angst und war aufgeregt. Ich hatte Angst, alles zu ruinieren», sagte der erst 21 Jahre alte, jüngste Zehnkampf-Weltmeister der Geschichte nach dem Triumph bei der Leichtathletik-WM in Doha ehrlich.
Nach dreieinhalb Runden in 4:15,70 Minuten war jegliche Befürchtung vergessen und die Sensation perfekt: Mit der persönlichen Bestleistung von 8691 Punkten siegte Kaul vor dem Esten Maicel Uibo (8604) und dem Kanadier Damien Warner (8529). «Das habe ich noch nicht ganz verarbeitet. Es wird erst in den nächsten ein, zwei Tagen kommen», meinte der 1,90 Meter große Ausnahmeathlet vom USC Mainz. «Keine Ahnung, wie das passiert ist.» Bisher einziger deutscher Zehnkampf-Weltmeister war 1987 der Schweriner Torsten Voss aus der DDR.
Nach den fünf Disziplinen des ersten Wettkampftages lag der U23-Europameister nur an elfter Stelle und sprach allein davon, «Schadensbegrenzung» betreiben zu wollen. «Ich wusste, dass ein Platz unter den Top Sechs noch gehen würde», sagte er. Erst nach der Aufgabe von Titelverteidiger und Weltrekordler Kevin Mayer (Frankreich) kam der Gedanke auf, dass «nun eine Medaille möglich» wäre. Kaul versicherte: «Aber glaubt mir, wir hatten niemals Gold im Kopf.» Zumal ihn an beiden Tagen Magenprobleme plagten.
Ausschlaggebend war vor allem der Speerwurf, seine Königsdisziplin im Mehrkampf. Mit 79,05 Metern steigerte Kaul seine persönliche Bestweite um 56 Zentimeter und katapultierte sich auf Platz drei in der Zwischenwertung. Vor dem abschließenden Lauf über 1500 Meter lag er nach dem großen Wurf nur 19 Punkte entfernt von dem bis dahin an der Spitze liegenden Uibo. «Du rennst jetzt einfach und gibst alles, was du hast», lautete seine am Ende von Erfolg gekrönte Devise. Damit ist ihm ein ähnlicher Überraschungscoup wie Frank Busemann mit Olympia-Silber 1996 geglückt.
«Riesen-Chapeau vor Niklas. Er ist sehr weit für sein Alter, auch im Kopf», sagte Teamkollege Kai Kazmirek. «Er weiß genau, was er will.» Für den WM-Dritten von 2017 von der LG Rhein Wied war nach einem Patzer im Hürdensprint der Traum von einer weiteren Medaille geplatzt. Der 28-Jährige beendete trotzdem den WM-Wettkampf und landete auf dem 17. Platz. Zehnter wurde der Ulmer Tim Nowak.
(dpa)