Harrogate – Mit einer schier unglaublichen 105-Kilometer-Solofahrt ist Annemiek van Vleuten zum WM-Titel gerast, für die deutsche Mannschaft gab es dagegen die nächste Nullnummer.
Van Vleuten krönte bei den Rad-Weltmeisterschaften in Harrogate ihre Gala-Vorstellung nach 149,4 Kilometern von Bradford nach Harrogate mit dem überlegenen Sieg bei den Frauen vor Teamkollegin Anna van der Breggen und der Australierin Amanda Spratt. Die Niederländerin, die nach zwei WM-Titeln im Einzelzeitfahren 2017 und 2018 erstmals im Straßenrennen triumphierte, hatte im Ziel einen Vorsprung von 2:15 Minuten.
Die deutsche Mannschaft spielte dagegen keine Rolle. Beste Fahrerin des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) war Lisa Brennauer (Durach) mit einem Rückstand von 5:20 Minuten auf Platz neun. Damit ist das deutsche Team in den Straßenrennen noch ohne Podestplatz, nachdem auch im Zeitfahren die Ausbeute mit Bronze für Junior Marco Brenner aus Augsburg und Silber im allerdings sehr schwach besetzten Mixed-Teamzeitfahren dürftig war. Und für das Eliterennen der Männer an diesem Sonntag sind die Aussichten auch nicht sonderlich gut.
«Das war ein bisschen verrückt. Ich bin etwas verrückt. Eigentlich war die Attacke nicht geplant, aber als die Lücke da war, bin ich gefahren», sagte van Vleuten und fügte hinzu: «Das war alles sehr emotional. Ich habe es genossen.»
Nach gut 45 Kilometern startete van Vleuten bereits ihre Attacke und baute den Vorsprung nach und nach aus. Für das Oranje-Team war es die perfekte Konstellation, denn in der prominenten Verfolgergruppe konnte Titelverteidigerin und Olympiasiegerin van der Breggen ihre Kräfte schonen. Aus deutscher Sicht war nur eine Zeit lang Clara Koppenburg (Konstanz) vertreten, während die eigentlichen Trümpfe Lisa Klein (Erfurt) und Brennauer nur im Hauptfeld platziert waren. «Das Minimalziel haben wir erreicht, aber eigentlich dachten wir, dass das Rennen anders läuft», sagte Bundestrainer André Korff.
Dabei hatte sich Klein noch optimistisch gezeigt, gegen die niederländische Übermacht etwas ausrichten zu können. «Wir verzweifeln da nicht. Von denen kann man lernen, mit denen kann man sich messen», sagte sie. Bei dieser WM wurde daraus jedenfalls nicht. Als bestes Ergebnis sprang im Frauenbereich ein fünfter Platz von Klein im Einzelzeitfahren heraus. Dort hatten sich van Vleuten und van der Breggen noch mit den Plätzen zwei und drei hinter der Amerikanerin Chloe Dygert begnügen müssen.
Am Samstag waren die Machtverhältnisse wieder zurechtgerückt. Dabei holte die bereits 36 Jahre alte van Vleuten erstmals eine Medaille in einem Straßenrennen. Bei den Olympischen Spielen in Rio war sie noch in Führung liegend fürchterlich gestürzt und hatte eine Wirbelverletzung erlitten. Auf dem Weg durch die Grafschaft Yorkshire fand sie auch bei Sonnenschein und weitgehend trockenen Straßen gute Bedingungen vor.
Das dürfte am Sonntag anders werden. Heftiger Wind und viel Regen werden vorhergesagt, was das Eliterennen der Männer über 285 Kilometer zusätzlich erschweren dürfte. Zumindest der deutsche Klassikerspezialist John Degenkolb kann damit gut leben: «Ich finde es cool, wenn es regnet.»
(dpa)