Hamburg – Ronald Koeman gab den stillen Genießer. Nach dem hoch verdienten 4:2 seiner Elftal in der EM-Qualifikation gegen den ewigen Rivalen Deutschland in Hamburg war vom Bondscoach kein Triumphgehabe zu sehen oder zu hören.
«Ein großartiger Abend. Es ist ein fantastischer Sieg, der noch höher hätte ausfallen können», sagte Koeman an dem für ihn seit dem 2:1 der Niederländer im EM-Halbfinale 1988 besonderen Ort.
Widerspruch löste der einstige Weltklasse-Verteidiger mit seiner Feststellung zum Prestigeduell nicht aus. Wenn nach dem 2:3 im Hinspiel im März in Amsterdam je Zweifel an der Oranje-Renaissance unter dem 56-Jährigen aufgekommen waren, sind diese spätestens nach der starken zweiten Halbzeit von Hamburg weggewischt.
«Es war, als ob ein Feuer aufflammte, ein Feuer von Fußball und Leidenschaft, ein Feuer, das das Stadion füllte», wurde «De Volkskrant» geradezu poetisch. Und «De Telegraaf» ist sich sicher: «Koeman und seine Männer bekamen, was sie verdienten. Oranje hatte mehr Inhalt, mehr Kreativität und traute sich, dominant zu spielen, während die Deutschen sich präsentierten wie ein paar Angsthasen.»
Seit Februar 2018 ist Koeman verantwortlich für die Elftal. Wie sein DFB-Kollege Joachim Löw muss er einen Umbruch organisieren. Am Freitagabend zeigte sich, dass der Niederländer und seine Spieler auf dem Weg zurück in die Weltspitze dem großen Nachbarn ein ganzes Stück voraus ist.
Vor allem nach der Pause zeigte das Oranje-Team seine Klasse, als es nach dem 0:1 noch zum 4:2 kam. «Wir haben weiter an uns geglaubt, haben weiter Fußball gespielt», sagte Kapitän Virgil van Dijk. «Wir waren überrascht, dass die Deutschen so zusammengefallen sind.»
Europas Fußballer des Jahres ist einer der Schlüsselspieler in Koemans Mannschaft, die aus vielen Hochbegabten und Routiniers besteht. Er stellt mit dem 20-jährigen Matthijs de Ligt eines der besten Innenverteidiger-Paare der Welt, der ballsichere Frenkie de Jongs war im Mittelfeld nicht nur wegen seines Treffer zum 1:1 einer der auffälligsten Spieler.
Stürmer Memphis Depay war von der DFB-Abwehr selten zu bändigen. Zudem konnte Koeman in den eingewechselten Donyell Malen noch einmal nachlegen. Der Debütant traf auch gleich zum 3:2. Selbst ein von de Ligt verursachter, umstrittener Handelfmeter, den Toni Kroos zum 2:2 verwandelte, zeigte keine Wirkung bei den Gästen.
Zwar sind die Niederländer trotz des Erfolgs weiter Dritter in der Qualifikationsgruppe C. Doch der Weg zur Endrunde des pan-europäischen Turniers ist vorgezeichnet. Die beiden schwersten Spiele haben sie absolviert und dabei den direkten Vergleich gegen Deutschland gewonnen. Die Elftal hat nun sechs Punkte, liegt aber noch eine Partie hinter dem Gruppenersten Nordirland (12 Punkte/4 Spiele) und Deutschland (9/4).
Am Montag geht es gegen den Tabellenletzten Estland in Tallinn. «Ich möchte, dass das Team die Partie auf sachliche und gute Weise zu Ende bringt», forderte Koeman. «Dass Deutschland und wir die Favoriten in der Gruppe sind, ist normal», stellte er fest. «Ob wir nun Erster oder Zweiter sind, ist egal!» Es klang ein wenig nach Trost für Bundestrainer Löw.
(dpa)