Das letzte Jahr vor der Einschulung

Köln – Der Startschuss für die Schullaufbahn fällt im Sommer. Allerdings nicht im Jahr der Einschulung, sondern ein Jahr vorher. In vielen Bundesländern geht es dann los mit Schuleingangsuntersuchungen, in den Kindergärten steht die Vorschule an.

Für Kinder ist das aufregend – und für Eltern nervenaufreibend. Denn je näher die Schule rückt, umso mehr Fragen stellen sich: Ist mein Kind reif für die Schule, ist es fit genug? Was muss es schon können? Die eine Antwort auf diese Fragen gibt es nicht. Denn welcher Weg der richtige ist, hängt vom einzelnen Kind und seinem Umfeld ab.

Trotzdem gibt es in den meisten Ländern einen Stichtag, irgendwo zwischen Ende Juni und Ende September: Wer bis zu diesem Datum ein bestimmtes Alter erreicht hat, der fällt unter die Schulpflicht. In vielen Ländern wird dieser Tag seit Jahren immer mal wieder verschoben – einfach deshalb, weil er nie so richtig passt.

Das ist auch kein Wunder, sagt Gabriele Trost-Brinkhues vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ): «Es gibt einfach keinen Stichtag, der allen Kindern gerecht wird.» Dafür seien die Entwicklungsunterschiede zu groß. «Es gibt Kinder im Einschulungsalter, die sind erst auf dem Entwicklungsniveau von Vierjährigen – und andere sind so weit wie Achtjährige.»

Einschulung

Die meisten Bundesländer berücksichtigen das: Eltern können zum Beispiel einen Antrag auf frühere Einschulung stellen. Und oft gibt es auch die Möglichkeit, Kinder noch ein Jahr zurückstellen zu lassen – oder andere Regelungen für einen flexiblen Schuleinstieg.

Doch woher sollen Eltern wissen, ob ihr Kind weit genug ist? Eine wichtige Rolle spielt die Schuleingangsuntersuchung – auch wenn diese oft missverstanden wird. Ganz wichtig sei, dass diese kein Test und keine Prüfung ist, sagt Trost-Brinkhues.

Zuständig ist nicht der reguläre Kinderarzt, sondern der sogenannte schulärztliche Dienst. «Die Schuleingangsuntersuchung ist erst einmal eine körperlich-medizinische Untersuchung. Da geht es zum Beispiel um Hör- und Sehfähigkeit, um chronische Krankheiten und vor allem um schulische Vorläuferfähigkeiten und einen eventuellen Förderbedarf.»

Also doch ein Test? Wer nicht fit genug ist, dreht eine Ehrenrunde? Nein – aus zwei Gründen. Erstens berät der Schularzt nur und entscheidet nicht. Zweitens geht es dabei auch oder sogar vor allem um das große Ganze. «Gerade der Förderbedarf ist ja ein wichtiger Hinweis für die Schule in Bezug auf Klassengröße und Personalbedarf zum Beispiel», erklärt Trost-Brinkhues.

Entscheidung

Die Entscheidung, ob und wann ihr Kind in die Schule kommt, liegt also zuerst bei den Eltern. Die sollten dabei ruhig auf ihr Bauchgefühl hören, rät Trost-Brinkhues – und auf die Kinder. Wie viel Lust auf Schule haben die? «Da geht es nicht zuerst darum, was Kinder alles schon können – wichtig ist vor allem, ob ich das Gefühl habe, dass mein Kind emotional stabil genug für die Schule ist.»

Ähnlich sieht es auch Klaus Seifried, der im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen für das Thema Schulpsychologie zuständig ist. Gruppenfähigkeit und soziale Reife spielen bei der Einschulung zum Beispiel eine zentrale Rolle, sagt er: «Kann das Kind aushalten, mal nicht gelobt zu werden oder im Mittelpunkt zu stehen? Kann es Konflikte oder Misserfolge aushalten? Kann es im Unterricht still sitzen, sich konzentrieren und selbstständig arbeiten?»

Und auch bei Fein- und Grobmotorik sieht Seifried Probleme: «Manche Kinder haben Schwierigkeiten, etwas mit der Schere auszuschneiden oder etwas zu malen, wenn sie in die Schule kommen», sagt er. «Andere haben Probleme beim Gehen auf einer Linie, oder einen Ball zu fangen.» Solche motorischen Fähigkeiten seien aber eine wichtige Grundlage für vieles andere – sogar für die Sprachentwicklung.

Und was ist, wenn das Kind da noch Probleme hat? Wenn die Kita-Kumpels auch noch nicht in die Schule kommen? Wenn das Bauchgefühl sagt: Lieber noch ein Jahr warten? Dann kann eine Zurückstellung sinnvoll sein – genau wie sich bei sehr fitten Kindern ein Frühstart lohnen kann. Vorauslernen jedenfalls müssen Kinder in keinem Fall – Rechnen oder Schreiben sind Sachen für die Schule.

Sind die Eltern fit genug?

Nicht nur die Kinder, auch Eltern müssen reif für die Schule sein. Schließlich beginnt für sie ebenso ein neuer Lebensabschnitt – einer, in dem sie Verantwortung abgeben müssen: an die Schule und das Kind. «Es geht darum, die Ablösung der Kinder in die Selbstständigkeit zuzulassen», erklärt Klaus Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Konkret heißt das: Nach Möglichkeit sollten Kinder den Schulweg zum Beispiel selbst bewältigen, selbst ihre Tasche packen und erst einmal selbst Hausaufgaben machen.


(dpa/tmn)

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