Halep «wie von Sinnen» – Williams verpasst Rekord

London – Die brillante Simona Halep ließ Serena Williams ratlos zurück. Was ihr selbst auch in Wimbledon zur Form für den 24. Grand-Slam-Titel fehlte, konnte die US-Amerikanerin nicht erklären.

«Ich weiß es nicht», sagte die 37-Jährige und wiederholte noch einmal: «Ich weiß es nicht. Ich muss irgendwie wieder einen Weg finden, ein Finale zu gewinnen.» Drei Endspiele nacheinander bei den bedeutendsten Tennis-Turnieren hat sie verloren. Wie vor einem Jahr gegen Angelique Kerber verpasste sie nun gegen die «wie von Sinnen» spielende Rumänin Halep das ersehnte Ziel. Noch immer fehlt Williams ein Erfolg zur Grand-Slam-Bestmarke der Australierin Margaret Court.

Entschlossen lehnte sie es ab, für die Jagd nach dem Rekord einen anderen Kampf aufzugeben, um sich noch mehr aufs Tennis zu konzentrieren: «Der Tag, an dem ich aufhöre, für Gleichberechtigung zu kämpfen, wird der Tag sein, an dem ich im Grab bin», sagte die US-Amerikanerin und nickte zur Bestätigung noch einmal.

Bei den US Open Ende August kann die siebenmalige Wimbledonsiegerin wieder angreifen, das Endspiel steigt gut zwei Wochen vor ihrem 38. Geburtstag. Vielleicht brauche sie wieder mehr Finals abseits der Grand Slams, meinte sie, will ihre Vorbereitung auf New York aber auf zwei Turniere beschränken. Im nächsten Jahr geht sie auf die 39 zu. Wie viel Zeit bleibt ihr? Wie viele Gelegenheiten kommen noch? «Ich habe noch nie über Zeit nachgedacht», sagte sie.

«Die Mutter aller Niederlagen» nannte die «The Mail on Sunday» das überraschend einseitige 2:6, 2:6 gegen Halep am Samstag in weniger als einer Stunde: «Vielleicht kriegt Serena nie wieder eine Chance, den Slam-Rekord einzustellen.» «The Telegraph» meinte dagegen: «Schreib Serena nicht ab – Ihre Geschichte hat noch mehr Kapitel.» Auch die frühere Spitzenspielerin Chris Evert fand, in New York könne nach den vorherigen Blessuren eine «andere Williams» antreten. Tennis-Ikone John McEnroe mahnte, sie müsse ihre Fitness verbessern.

Die langjährige Nummer eins hatte ihr Lächeln nach der Niederlage vor den Augen der mit ihr befreundeten Herzogin Meghan und Herzogin Kate schnell wieder gefunden. Sie gab zu, das «beste Spiel des Lebens» (Halep) ihrer Gegnerin anerkennen zu müssen. Williams wirkte aufgeräumt und fair – und war von einem Eklat wie im September bei der Niederlage bei den US Open weit entfernt.

Dass sie überhaupt nach der Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia am 1. September 2017 und den anschließenden Komplikationen wieder in einem Grand-Slam-Finale steht, verdient Respekt. Dreimal verlor Williams dann aber relativ klar, dreimal ohne Satzgewinn: neben den beiden Wimbledon-Niederlagen auch noch in New York gegen Naomi Osaka.

Williams bleibt überzeugt, die Trophäen bei den vier wichtigsten Turnieren im Tennis abräumen und den Rekord von Court, die ihre Titel bis Anfang der 1970er sammelte, einholen zu können. «Ich fühle mich noch unglaublich wettbewerbsfähig. Sonst wäre ich nicht mehr da. Hoffentlich kann ich mein Spiel manchmal steigern», sagte sie.

Halep ließ noch eindrucksvoller als Kerber vor zwölf Monaten keine Zweifel zu, dass sie an diesem Tag zu stark und zu fit für die Gewinnerin von 23-Grand-Slam-Titeln ist. Über Jahre habe sie sich stets ein wenig eingeschüchtert gefühlt, wenn sie gegen Williams antrat, erklärte die Rumänin. Damit habe sie abgeschlossen.

Mit dem wundervollen Lächeln der Wimbledonsiegerin erzählte die 1,68 Meter große Athletin aus Constanta, wie sie nach dem Matchball weiche Knie bekam. Sie verriet, dass sie den Traum ihrer Mutter erfüllt habe, die ihr dieses Ziel nahelegte, als sie zehn war. Und dass sie sich fest vorgenommen hatte, den Titel zu holen, um als Club-Mitglied die traditionsreiche Anlage wieder besuchen zu können.

Ihrem ersten Grand-Slam-Titel war die frühere Nummer eins bei drei Endspielen bis zu den French Open 2018 vergeblich hinterher gelaufen. Zu einer mental stärkeren und positiveren Spielerin wandelte sie sich, als sie nach einem Streit mit ihrem damaligen Trainer Darren Cahill im Frühjahr 2017 ihre Einstellung überdachte.

Die 27-Jährige ist charismatisch, kann die Ballwechsel diktieren wie kaum eine andere und hat außergewöhnliche läuferische Fähigkeiten. «Dass es möglich ist, dass ich auf Rasen gewinne, war schwer zu glauben, denn wir haben nicht mal einen Rasenplatz in Rumänien», sagte sie. Wie speziell ihr Titel war, merkte die erste rumänische Wimbledonsiegerin auch bei der Begegnung mit Ion Tiriac. Der frühere Becker-Manager steht ihr als Ratgeber zur Seite: «Er war sehr glücklich, er hat mich umarmt, was sonst wirklich nicht vorkommt.»


(dpa)

(dpa)