Paris – In ihrer Nationalmannschaftskarriere holte Nadine Keßler mit der deutschen Mannschaft 2013 den EM-Titel und wurde ein Jahr später als Weltfußballerin ausgezeichnet.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht die 31-Jährige über die Chancen des Teams von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bei der WM (7. Juni – 7. Juli) und ihre Erwartungen für das Turnier in Frankreich.
Welche Erwartungen haben Sie an die WM, wie schätzen Sie die Chancen des deutschen Teams ein?
Nadine Keßler: Ich glaube, es wird ein gigantisches Turnier mit wahrscheinlich sieben, acht, neun Mannschaften, die den Titel gewinnen können. Es ist absolut nicht vorhersehbar, und das ist ein gutes Zeichen. Das Teilnehmerfeld ist enger zusammengerückt. Die letzten Auftritte der deutschen Mannschaft waren wirklich stark, ihre Leistungen sind kontinuierlich gestiegen. Der Vibe um die Mannschaft ist positiv. Deshalb glaube ich, dass sie eine gute Rolle spielen werden.
Also gehört Deutschland auch zu dem Kreis der Favoritinnen?
Keßler: Auf jeden Fall. Deutschland ist eine Mannschaft, gegen die man nicht gerne spielt. Sie sind sehr diszipliniert, sehr strukturiert, sehr effizient. Es sind gute Voraussetzungen, um ein gutes Turnier zu spielen. Ich traue ihnen einiges zu.
Wie sehen Sie insgesamt die Entwicklung des Frauenfußballs?
Keßler: Aus der europäischen Perspektive ist es fantastisch. Erstmals entwickelt sich etwas in mehreren Märkten gleichzeitig, in England, Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland. Die Bewegung ist überall zu spüren, die Zahlen der Spielerinnen, Zuschauer, Investitionen steigen. Wenn ich auf meine aktive Zeit zurückblicke, ist dieser Sprung verrückt.
Die Bundesliga kann bei dieser Entwicklung beispielsweise bei den Zuschauerzahlen allerdings nicht mithalten. Wie ist das zu erklären?
Keßler: Für die Bundesliga muss ein Schub her, um der Liga Sichtbarkeit zu geben, damit die Spiele der normalen Bevölkerung näher gebracht werden. Sportlich ist die Liga immer noch sehr gut, auch wenn viele Spielerinnen ihr Glück in Frankreich, England oder Spanien suchen. Trotzdem muss man mehr aus der Liga rausholen. Bei den großen Turnieren ist das Interesse groß, da sind immer alle dabei.
ZUR PERSON: Nadine Keßler (31) gewann in ihrer Nationalmannschaftskarriere 2013 den EM-Titel. Sie wurde im Folgejahr als Weltfußballerin und Europas Fußballerin des Jahres ausgezeichnet. Mit Turbine Potsdam und dem VfL Wolfsburg holte Keßler dreimal die Champions League. Jetzt leitet sie die Abteilung Frauenfußball bei der Europäischen Fußball-Union UEFA.
(dpa)