München – Meister, Pokalsieger – und weg? Ausgeschlossen scheint dieses kurios anmutende Szenario bei Niko Kovac vor zwei Endspielen des FC Bayern nicht mehr.
Eine Jobgarantie der Münchner Bosse hat der 47-Jährige vor dem Finale um die Schale am Samstag gegen Eintracht Frankfurt und um den DFB-Pokal sieben Tage später in Berlin gegen RB Leipzig trotz eines Vertrages mit einer Laufzeit bis 2021 jedenfalls nicht. Zuspruch kam von Präsident Uli Hoeneß. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Sportdirektor Hasan Salihamidzic lassen bei ihren Statements Raum für Spekulationen.
Kovac ist seit Wochen bemüht, «Nebensachen» auszublenden und sich auf seine erste Meisterschaft als Trainer zu fokussieren. «Ich muss meine Leistung bringen. Wenn ich sie bringe, denke ich, muss man gar nicht diskutieren», sagte der Kroate zu den Debatten um seine Person.
Als Kovac vor einem Jahr als Nachfolger von Triple-Gewinner Jupp Heynckes beim deutschen Fußball-Rekordmeister anheuerte, kannte er als ehemaliger Spieler die Club-DNA bestens. «Als Trainer ist man verpflichtet, hier Erfolg zu haben. Alles, was weniger ist als Erfolg, ist Misserfolg», beschrieb Kovac erst kürzlich wieder die Anforderungen beim Weltclub. Die Vergangenheit als Bayern-Profi zwischen 2001 und 2003 helfe sicherlich, räumte Kovac ein. «Aber man lernt nie aus. Diese zehn Monate waren sehr lehrreich.»
Eintracht Frankfurt und die kroatische Nationalmannschaft waren vor dem Engagement in München die einzigen Stationen als Coach von Kovac auf höherer Ebene. Davor war er Nachwuchs- und Co-Trainer. Der Job in München ist eine ganz andere Hausnummer.
Wiederholt lobten die Bosse, wie Kovac die Herbstkrise gemeistert habe. Allerdings nicht ohne den Hinweis darauf, dass sie dem Trainer entscheidende Ratschläge mit auf den Weg gaben. Kovac rückte in der auch für ihn brenzligen Situation von der Großrotation ab, setzte mehr auf Defensive, die sportliche Wende gab ihm Sicherheit im Amt.
Hochgelobt wurde der Kroate nach dem 0:0 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Liverpool für sein Defensivkonzept. Der mutlose Auftritt beim 1:3 im Rückspiel gegen Jürgen Klopps Team, das am 1. Juni das Finale gegen Tottenham Hotspur bestreiten darf, wird Kovac dagegen bis heute von seinen Chefs vorgehalten. Das Aus hat Zweifel gesät an der Befähigung des Kroaten, die Bayern international in naher Zukunft wieder auf das höchste Niveau zu hieven.
«Was uns einfach nicht gefallen hat, war das Rückspiel gegen Liverpool», bemängelte Salihamidzic erst am Wochenende. «Wir haben es einfach nicht gut gemacht. Das war vielleicht mutlos. So wie wir gegen Dortmund gespielt haben, hätten wir auch gegen Liverpool auftreten müssen.» Das 5:0 gegen die Borussia Anfang April ist der Maßstab. So wollen die Bosse ihr Starensemble spielen und siegen sehen. Dauerhaft. Salihamidzic wich einem klaren Bekenntnis zu Kovac vor dem Saisonfinale aus. Er versicherte dem Trainer zwar seine Unterstützung. Aber auf mehrfaches Nachbohren, wie es am Saisonende weitergehen werde, sagte der Sportdirektor: «Das werden wir sehen.»
Ist der frühere defensive Mittelfeldspieler Kovac der richtige Mann für den Neubau eines internationalen Topteams? Wollen Rummenigge und Hoeneß diesem Trainer wirklich die nächste Umbruchphase anvertrauen, in die der Verein gerade weit mehr als 100 Millionen Euro investiert? Nach hochdekorierten Welttrainern wie Pep Guardiola, Carlo Ancelotti oder Jupp Heynckes setzten die Münchner in dieser Saison mutig auf einen Novizen auf dem höchsten Fußball-Level.
Ein einfaches erstes Jahr hatte Kovac wahrlich nicht. Deutsche Nationalspieler kamen enttäuscht von der WM, das letzte Jahr mit verdienten Champions-League-Gewinnern wie Franck Ribéry (36) und Arjen Robben (35) erforderte von Kovac Fingerspitzengefühl. «Der Trainer kommt in eine schwierige Situation. Wir haben unseren Umbruch eingeleitet», bemerkte Salihamidzic.
Kovac legt nicht nur Wert auf Fußballkunst. «Neben Naturtalent muss man das Arbeitstalent an den Tag legen», sagt er. Immer häufiger sprach er im Saisonendspurt von «Leidenschaft». Intern und extern wird dagegen ein schlüssiges, offensives Spielkonzept vermisst.
Kovac weiß, dass er liefern muss. Erst gegen die Eintracht, dann gegen Leipzig. Er will die nächste «Kerbe im Colt», wie er den Pokalerfolg mit der Eintracht vor einem Jahr genannt hatte. Titel waren beim FC Bayern stets die beste Jobgarantie für Trainer.
Dass Kovac wie BVB-Coach Lucien Favre, der mit Dortmund in Mönchengladbach antreten muss, ausgerechnet gegen einen Ex-Club die erste Schale als Trainer feiern könnte, gibt dem letzten Spieltag eine spezielle Note. «Der Zweite ist der erste Verlierer, obwohl auch das schon eine Leistung ist», bemerkte Kovac zum Erfolgszwang im Profisport. «Die Geschichte mit Olympia und ‚Dabei sein ist alles‘ ist vorbei. Alle wollen Sieger werden.»
(dpa)