Schrei-Therapie in der Kabine: HSV sucht Weg aus der Krise

Hamburg – In der Kabine des Hamburger SV wurde es laut – sehr laut. Es herrschte Schrei-Bedarf nach dem Last-Minute-1:2 gegen den 1. FC Magdeburg.

Der Frust über den nächsten Rückschlag im Aufstiegsrennen der 2. Fußball-Bundesliga musste raus. «Jeder ist sauer. Es ist nicht der Moment, in dem wir da drinnen die Musik anmachen und feiern», sagte Lewis Holtby.

Der Ersatz-Kapitän hatte an dem für die Hanseaten bitteren Montagabend die undankbare Aufgabe, sich als einziger Spieler den Medien zu stellen. Der Mittelfeld-Mann musste versuchen zu erklären, was nicht zu erklären war: Eine erneut desolate Leistung – und das wieder gegen einen Abstiegskandidaten. «Ich bin der Letzte, der hier den Optimismus verliert. Aber natürlich tut das weh – auch mir», meinte der sichtlich mitgenommene Trainer Hannes Wolf.

Wie beim 2:3 gegen Darmstadt 98 verspielte der Aufstiegskandidat eine Führung, im zweiten Heimspiel nacheinander kassierten die Hamburger in der Nachspielzeit den entscheidenden Treffer. Diesmal traf Philip Türpitz. Erschreckend für den HSV dabei: Beide Niederlagen waren verdient.

Längst geht im Club und bei den Fans die Angst um, dass der angesichts der Finanzsituation lebenswichtige Wiederaufstieg doch noch verpasst wird. Der Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals durch das 2:0 beim Liga-Rivalen SC Paderborn ist da längst nur ein Ausreißer nach oben in einer Reihe von Tiefs in diesem Jahr.

Der HSV ist in der Rückrunden-Tabelle gerade einmal auf Platz zehn. Nach der ersten Halbserie war er ganz vorn. Dass die Hamburger noch auf Rang zwei und damit einem direkten Aufstiegsplatz stehen, liegt vor allem an der Konkurrenz wie dem Dritten Union Berlin oder dem SC Paderborn, die sich ebenfalls regelmäßig Aussetzer gönnen.

Holtby blieben am Ende nur Appelle. «Jeder muss sich in dieser Woche hinterfragen – jeder einzelne: Investiere ich alles? Bin ich nur auf Höhe im Pokal oder auch, wenn Magdeburg hierherkommt?», sagte er. «Denn solche Ergebnisse können wir nicht mehr liefern. Sonst wird es ganz schwer.»

Das wird es eh: Die Hamburger müssen in den letzten sechs Spielen auswärts noch gegen alle anderen Top-Mannschaften ran. Den Anfang macht das Spiel am kommenden Montag gegen den souveränen Tabellenführer 1. FC Köln. Außerdem muss der HSV noch zu Union und nach Paderborn reisen. Holtby mahnte: «Wir müssen den Arsch hochkriegen, arbeiten und jetzt in der Schlussphase die Punkte holen.»

Hinterfragen müssen sich aber auch Trainer Wolf und der für die Kaderplanung zuständige Sportvorstand Ralf Becker. Wolfs Entscheidungen im Spiel gegen Magdeburg hinterließen Fragen: Warum ließ er den schwachen Gideon Jung durchspielen, obwohl Defensiv-Mann Vasilije Janijcic schon bereit war zur Einwechselung? Warum holte er Torschütze Bakery Jatta vom Feld und brachte dafür Berkay Özcan?

Doch vor allem zeigte sich am Montagabend, wie spielerisch limitiert die Mannschaft ist. Der eigentliche Kapitän Aaron Hunt scheint der Einzige zu sein, der spielerische Linie bringen kann. Doch der Ex-Bremer ist verletzungsanfällig und fehlte wieder einmal. Und Gotoku Sakai oder Holtby sind nicht in der Lage, das Team zu führen.

Tröstliches gab es für Wolf von Magdeburgs Trainer Michael Oenning, selbst einmal 2011 für wenige Monate Cheftrainer des HSV: «Ich glaube nicht, dass mit dem Aufstieg etwas passieren wird. Ihr müsst nur einfach weitermachen.» Wolf vernahm es mit versteinerter Miene. Denn «einfach weitermachen» – genau das geht nicht mehr.


(dpa)

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