Berlin – Diskriminierung ist verboten – und doch findet sie ständig statt: am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche oder auch an der Tür zur Disco. Antidiskriminierungsstellen von Kommunen, Ländern und Bund sind wichtige Anlaufstellen für Betroffene. Die
Bundesstelle hat nun erstmals einen Jahresbericht vorgelegt.
Demnach habe es einen spürbaren Anstieg von Beratungsanfragen gegeben. Dieser habe im Vergleich zu 2017 rund 15 Prozent betragen, teilte die Stelle mit. 2018 seien 3455 Anfragen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingegangen, die sich auf mindestens ein im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genanntes Diskriminierungsmerkmal bezogen. Dies sind Alter, Behinderung, ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Religion und Weltanschauung.
«Der Umfang und die Entwicklung der Beratungsfälle zeigen, dass Benachteiligungen ein alltägliches Problem sind», sagte der kommissarische Leiter der Stelle, Bernhard Franke.
Die meisten Anfragen bezogen sich demnach auf die Merkmale ethnische Herkunft/rassistische Zuschreibungen (31 Prozent), Geschlecht (29 Prozent), Behinderung (26 Prozent), Alter (14 Prozent), Religion (7 Prozent), sexuelle Identität (5 Prozent) und Weltanschauung (2 Prozent). Mehr als jede dritte Anfrage habe sich auf Diskriminierung im Arbeitsleben bezogen. Dazu zählen zum Beispiel die Benachteiligung von Schwangeren im Job, von Jobsuchenden wegen eines Migrationshintergrunds oder die ungleiche Bezahlung. Auffallend sei der Anstieg der Beschwerden zu sexueller Belästigung, hieß es.
Was sind die rechtlichen Grundlagen?
Schon das Grundgesetz verbietet Diskriminierung. Es legt in Artikel 3 fest: «Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.»
Gibt es weitere rechtliche Bestimmungen?
Ja. Im August 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. «Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen», heißt es dort in Paragraf 1.
In welchen Fällen schützt das AGG?
Schwerpunkt des Gesetzes ist der Schutz vor Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf – von der Stellenausschreibung bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Auch der Schutz vor Mobbing und vor sexueller Belästigung im Berufsleben fällt darunter. Das gilt für Beschäftigte in privaten Unternehmen ebenso wie im öffentlichen Dienst und auch für Beamte. Das Gesetz erstreckt sich aber auch auf den Zivilrechtsverkehr und schützt bei Alltagsgeschäften wie Einkäufen, Gaststättenbesuchen, Wohnungssuche und Versicherungs- oder Bankgeschäften.
Und wie schaut die Praxis aus?
Auch fast 13 Jahre nach Inkrafttreten des Gleichbehandlungsgesetzes gehört Diskriminierung in Deutschland zum Alltag. Beispiel Jobsuche: Eine
Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, «dass Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland bei der Suche nach einem Arbeitsplatz diskriminiert werden». Die Forscher verschickten rund 6000 fiktive Bewerbungen für acht Ausbildungsberufe und werteten die Reaktionen der Unternehmen aus.
Es zeigte sich zum Beispiel, dass Bewerber mit einem deutschen Namen in 60 Prozent aller Fälle positive Rückmeldungen erhielten, Bewerber mit Migrationshintergrund aber nur in 51 Prozent. Bewerber, die eine Zugehörigkeit zur christlichen Religion signalisierten, erhielten zu 57 Prozent positive Rückmeldungen, bei Bewerbern mit einem angedeuteten muslimischen Hintergrund lag die Quote bei 46 Prozent.
Wie sieht es auf dem umkämpften Wohnungsmarkt aus?
Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes ist es ziemlich klar, dass es auch hier Diskriminierung gibt. «Aber es ist so gut wie nicht nachweisbar», sagt der Sprecher Ulrich Ropertz. Schließlich müsse kein Vermieter angeben, warum er einem Bewerber nimmt oder ablehnt. Datenjournalisten des Bayerischen Rundfunks und des Nachrichtenmagazins «Spiegel» fanden 2017 in einem Experiment heraus, dass insbesondere Wohnungssuchende mit türkischer oder arabischer Herkunft benachteiligt werden. In rund jedem vierten Fall, in dem ein Deutscher eine Einladung zu einer Besichtigung erhielt, wurden sie übergangen. Allerdings nimmt die Diskriminierung ethnischer Minderheiten nach einer Studie von Forschern der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und der Uni Konstanz ab.
Welche Lösungsansätze gibt es?
Für die Jobsuche gibt es beispielsweise das Konzept anonymisierter Bewerbungsverfahren. Dabei wird zunächst auf ein Foto der sich bewerbenden Person, ihren Namen, die Adresse, das Geburtsdatum oder Angaben zu Alter, Familienstand oder Herkunft verzichtet. Die Entscheidung über die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch fällt nur auf der Basis von Informationen wie Berufserfahrung, Ausbildung oder Motivation. Nach einem bundesweiten Pilotprojekt 2010/2011 zog die damalige Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, ein positives Fazit: Es habe sich gezeigt, dass so der Fokus auf die Qualifikation der sich Bewerbenden gerichtet werde.
(dpa)