Kind-Erben kontra Kind-Gegner: Wer gewinnt den 96-Streit?

Hannover – Wem gehört ein Profifußball-Club? Denjenigen, die das Geld geben? Oder denjenigen, die sich als Fans oder Mitglieder als Basis verstehen?

Im modernen Fußball ist das eines der größten Reizthemen überhaupt. Und bei Hannover 96 wird sich am Samstag eine mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung um diese Frage drehen.

Auf dem Papier geht es zunächst einmal darum: Clubboss Martin Kind will in Zukunft nur noch Geschäftsführer der ausgegliederten Profifußball-Gesellschaft Hannover 96 GmbH & Co. KGaA sein und deshalb nach fast 22 Jahren als Präsident des Muttervereins Hannover 96 e.V. aufhören. Die Mitgliederversammlung wird am Samstag ab 14.00 Uhr einen neuen Aufsichtsrat für den eingetragenen Verein wählen, der dann wiederum Kinds Nachfolger als Präsident einsetzt. «Wir entscheiden über die Zukunft von 96», sagte Kind selbst.

Denn was in anderen Vereinen eine reine Personalfrage ist, hat Hannover 96 tief in zwei Lager gespalten, die jeweils fünf eigene Kandidaten für den fünfköpfigen Aufsichtsrat nominiert haben und die beide erbittert um die künftige Struktur des Profifußballs beim zweimaligen deutschen Meister ringen. Die «Kind-Erben» um ihren Präsidentschafts-Kandidaten Matthias Herter wollen nichts an der größtmöglichen Unabhängigkeit der Profifußball-Gesellschaft vom Mutterverein ändern. Sie unterstützen auch Martin Kinds Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung von der sogenannten 50+1-Regel, die den Einfluss externer Investoren im deutschen Fußball begrenzen soll.

Die «Kind-Gegner» um ihren Präsidentschafts-Kandidaten Sebastian Kramer wollen zwar nicht die Ausgliederung der Profifußballer wieder rückgängig machen, aber ansonsten so ziemlich alle Entwicklungen stoppen, die Kind in den vergangenen Jahren vorangetrieben hat. Das heißt: Die unter dem Namen «Pro Verein 1896» organisierte Opposition will keine Abkehr von der 50+1-Regel und sie will den größtmöglichen Einfluss des e.V. auf die GmbH & Co. KGaA sicherstellen.

Das ist in dem komplizierten 96-Gebilde nicht ganz einfach. Die KGaA wurde bereits 1999 aus dem Mutterverein ausgegliedert. Sie gehört zu 100 Prozent einer weiteren Gesellschaft, der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. mit ihren vier Gesellschaftern um Martin Kind und den Drogerieunternehmer Dirk Roßmann.

Der «Kapitalseite», wie Kind sie nennt, gehört damit faktisch schon die Profifußball-Abteilung. Es gibt aber immer noch eine letzte Einflussmöglichkeit des e.V.: Denn die Geschäftsführer der KGaA werden von der Hannover 96 Management GmbH bestimmt, die wiederum zu 100 Prozent dem eingetragenen Verein gehört. Kinds Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel hat nur zum Ziel, auch die Mehrheit an der Management GmbH übernehmen zu dürfen. Umgekehrt würde die Opposition einen Zugriff auf genau diese Gesellschaft erhalten, sollte sie sich am Samstag bei der Versammlung durchsetzen.

Beide Lager haben sich im Vorfeld jeweils einen Aufsichtsratskandidaten mit glorreicher 96-Vergangenheit gesichert. Für das Pro-Kind-Lager stellt sich Carsten Surmann zur Wahl, der Kapitän der DFB-Pokalsieger-Mannschaft von 1992 war. «Fußball hat sich entwickelt. Es ist viel mehr Geld im Spiel, es ist alles viel größer geworden», sagte der 59-Jährige in einem NDR-Interview.

Für die Opposition tritt Carsten Linke an, der zu den Führungsspielern der Bundesliga-Aufstiegsmannschaft von 2002 gehörte. Er möchte bei 96 vor allem die Rechte der Mitglieder wieder gestärkt wissen. «Ein Verein sollte ein demokratisches Gebilde sein – und das ist er in Hannover nicht», sagte der 53-Jährige.

Aussagen wie diese zeigen, wie verfeindet sich beide Lager gegenüberstehen. Am Ende wird alles davon abhängen, wer mehr Unterstützer für die Versammlung in der Swiss Life Hall mobilisiert. Ob danach auch Frieden bei Hannover 96 einkehrt, ist offen. Falls die Opposition gewinnen sollte, sind die großen Fragen: Wie geht sie mit dem 50+1-Antrag um, der gerade vor dem Schiedsgericht der Lizenzligen verhandelt wird? Und vor allem: Wie reagiert dann Martin Kind? Falls sich seine Erben durchsetzen sollten, stehen auch sie vor dem Problem: Wie kann man diesen Verein wieder einen? Die Stimmung bei 96 sei «in etwa so explosiv wie die regelmäßigen Wutausbrüche von Trainer Thomas Doll», schrieb der «Tagesspiegel» in dieser Woche.


(dpa)

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