WM-Hoffnungen Ihle und Beckert – Fragezeichen bei Pechstein

Inzell – Null Medaillen bei Olympia, kein Podestplatz in diesem Weltcup-Winter. Dazu eine Claudia Pechstein, die nach ihrer jüngsten juristischen Niederlage mit viel Wut im Bauch ihre geplanten vier WM-Starts in Frage stellt.

Die Ausgangsposition für die deutschen Eisschnellläufer ist vor den am Donnerstag in Inzell beginnenden Heim-Weltmeisterschaften in Inzell nicht gerade rosig.

Erst unmittelbar vor dem ersten Start will Pechstein bekanntgeben, ob sie gänzlich auf ihre Teilnahme an den Titelkämpfen verzichtet. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte am Dienstag entschieden, ihre Klage nicht neu aufzurollen, mit der sie die Unabhängigkeit des Sportgerichtshofes CAS infrage stellte. Sie wisse nach diesem «Tiefschlag» noch nicht, ob sie «trotz des mir widerfahrenen Unrechts über genügend Kraft verfüge, meine Bestleistung abrufen zu können», schrieb Pechstein frustriert bei Facebook. «Ihr Kampf wird damit nicht einfacher», sagte Sportdirektor Matthias Kulik, der natürlich hofft, dass sich Pechstein doch noch zu WM-Starts durchringen wird.

Die Hoffnungen im mit neun Sportlern kleinsten deutschen Team der WM-Geschichte tragen in Inzell zwei andere Routiniers. Der 33 Jahre alte Nico Ihle und der bald 29 werdende Patrick Beckert wollen das erreichen, was ihnen schon bei der WM 2017 im Olympia-Ort Gangneung gelang: Ein kleines Wunder. Nämlich Medaillen, auf die diesmal niemand spekulierten kann. «Wir haben keine Medaillenvorgabe. Alle sollen ihre persönliche Ziele umsetzen, und falls sie diese nicht erreichen, die richtigen Konsequenzen ziehen», sagte Kulik.

Als Lichtblick des Winters gilt Joel Dufter. Der 23-jährige Inzeller gehörte zwar im Vorjahr schon zum Olympia-Team, stieß aber erst in diesem Winter mit zwei sechsten Plätzen über 1000 Meter in die Weltspitze vor. «Das gemeinsame Training mit ihm bringt uns beide voran», urteilte der Chemnitzer Nico Ihle. Das freut auch den Sportdirektor, der kein Freund der «Insellösungen» – des alleinigen Trainings der Top-Athleten an ihren Heimatorten – ist. «Schön, dass beide zueinander gefunden haben», sagte Kulik.

Im Teamsprint gehen die beiden Rivalen und Trainingspartner gemeinsam an der Start. Noch ist nicht entschieden, wer neben ihnen zum Trio gehört. Weil der Münchner Hendrik Dombek zuletzt gesundheitliche Probleme hatte, wurde Nico Ihles älterer Bruder Denny für die WM-Premiere dieses Rennens am Donnerstag als Ersatzmann nachnominiert.

Offenkundig wird in Inzell erneut, dass es den Deutschen seit Jahren an gutem Nachwuchs fehlt. «Bestimmte Jahrgänge gibt es bei den Damen gar nicht», musste Präsidentin Stefanie Teeuwen nach ihrer Amtsübernahme 2016 konstatieren.

Einzige Zukunfts-Hoffnung ist die 16-jährige Victoria Stirnemann, die als B-Jugendliche auf den kürzeren Strecken sogar schneller ist als ihre Mutter in diesem Alter. Gunda Niemann-Stirnemann ist mit 19 Titeln noch immer Rekordweltmeisterin, kann in Inzell aber von der Niederländerin Ireen Wüst (bisher 18 Titel) abgelöst werden.

Doch auch Victoria möchte gern weiter bei ihrer Mutter in Erfurt trainieren und wäre damit schon wieder eine neue «Insellösung». Ein Dilemma für die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft. Sollte das Top-Talent auf seinem eigenen Weg bestehen wie zuletzt Pechstein, Ihle und Beckert, scheinen dem Verband die Hände gebunden.


(dpa)

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