Hannover – Langsam gehen André Breitenreiter die Argumente aus. Der angekündigte Neustart bei Hannover 96 – er hat zu Beginn der Rückrunde nicht stattgefunden. Die neuen Spieler, die der Trainer gern hätte – sie wird es nach Angaben seiner Vorgesetzten nicht mehr geben.
Und die nächsten Gegner des Tabellenvorletzten? Sie heißen Borussia Dortmund und RB Leipzig. Und so blieb Breitenreiter nach der verdienten 0:1 (0:1)-Niederlage gegen Werder Bremen nicht mehr viel anderes übrig, als seinen Spielern eine «Scheiß-Egal-Mentalität» zu empfehlen: «Ich habe ihnen in der Kabine gesagt: Niemand glaubt mehr an uns. Im Grunde sind wir für jeden schon so gut wie weg.»
Das Problem an diesem Nordderby war nur: Die 96er spielten im 1000. Spiel ihrer Bundesliga-Geschichte so, als würden sie selbst nicht mehr an sich glauben. «Das war eindeutig zu wenig», sagte Torwart Michael Esser, der mit 14 abgewehrten Torschüssen in nur einer Partie einen bestehenden Rekord in der Fußball-Bundesliga einstellte.
Jeder im Stadion – vom Fanblock über die Trainerbank bis zur Präsidentenloge – bekam am Samstag vor Augen geführt: In dieser ängstlichen Verfassung und dieser stark ersatzgeschwächten Besetzung wird Hannover mit großer Wahrscheinlichkeit absteigen. Der Abwärtsspirale von mittlerweile sieben Spielen ohne Sieg einfach beim Drehen zuzuschauen, das wäre fahrlässig. Hannovers Dilemma ist allerdings: Was auch immer sie tun – es wird teuer.
Sollte sich der Verein von seinem Trainer trennen, müsste er Breitenreiter eine Abfindung in Millionenhöhe zahlen. Das berichtete das Fachmagazin «Kicker», das regelt der erst im Sommer bis 2021 verlängerte Vertrag. Bislang ist ein solcher Schritt kein Thema für Präsident Martin Kind. Und auch der Trainer spürt nach eigener Aussage weiter das Vertrauen der Clubführung. «Ich glaube das zu 100 Prozent, weil es mir genau so vermittelt wird», sagte Breitenreiter.
Das größte Streitthema in Hannover sind ohnehin die Spielerverpflichtungen. Breitenreiter fordert allein deshalb neues Personal, weil ihm am Samstag sechs Offensivspieler wegen Verletzungen oder des Asien Cups fehlten. Manager Horst Heldt stellte in einem Sky-Interview jedoch klar: «Es ist abgestimmt, dass erst mal keine weiteren Transfers möglich sind.»
Schon die vorzeitige Rückkehr des Brasilianers Jonathas sowie die Ausleihe der beiden Neuzugänge Kevin Akpoguma und Nicolai Müller konnte sich der Verein nicht leisten. «Alles, was wir im Winter gemacht haben, hat der Präsident aus seiner eigenen Tasche bezahlt, weil der Verein nicht in der Lage ist, es selbst zu finanzieren», sagte Heldt. «Martin Kind und sein enger Freund Dirk Rossmann haben sich dazu bereit erklärt, den Verein zu unterstützen.»
Schon jetzt wird das Saison-Minus in Hannover auf rund 17 Millionen Euro beziffert. Mehr möchte Kind eigentlich nicht zulassen. Der Präsident weiß allerdings auch aus der Erfahrung des Jahres 2016: Ein Abstieg in die 2. Bundesliga ist unter dem Strich noch teurer, als es mögliche Nachverpflichtungen im Winter sind.
Bis zum 31. Januar haben die 96er Zeit, um auf dem Transfermarkt noch einmal tätig zu werden. Bis dahin stehen noch das schwere Dortmund-Spiel und die Arbeit an der «Scheiß-Egal-Mentalität» an. Verteidiger Akpoguma beherrscht die schon ganz gut. «Wir sind Vorletzter. Was haben wir noch zu verlieren?», sagte er.
(dpa)