Köln – Jeder Trend kennt einen Gegentrend – das betonen auch Möbelexperten gerne. Längst scheint es im Möbelhaus einfach alles zu geben: Jedes Sofa ist in so vielen Farben erhältlich, dass jeder Kunde seinen Wunschton finden dürfte.
Jeder Schrank, jedes Regal, jede Küche lässt sich an ein Zimmer individuell anpassen. Das verändert auch Möbelschauen wie die
IMM in Köln (bis 20. Januar).
Es gehe inzwischen weniger um einzelne Trends und Entwicklungen bei Farben, Materialien und Formen, erläutert Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM). «Sondern es geht vermehrt um Wohnkonzepte.» Also darum, wie sich räumliche Einheiten wie Küche oder Wohnzimmer verändern oder gar zusammenwachsen – und darum, wie das Zuhause unsere Sehnsüchte erfüllen kann. Hier die wichtigsten Erkenntnisse und vier Trends von der Leitmesse für Einrichtung.
Trend 1: Wohnbereiche gehen fließend ineinander über
Der offene Wohnraum ist längst Realität – vor allen im Neubau. Wer umbaut, gestaltet aber auch seinen Altbau inzwischen gerne so. Doch das scheint nur ein Evolutionsschritt zu sein: Die fehlenden Wände sind eine Chance, auch die gestalterischen und praktischen Grenzen aufzulösen. «Das starre Festhalten an Räumen wird es nicht mehr geben», prognostiziert der IMM-Sprecher Markus Majerus.
Ist nicht der Esstisch längst auch Schreibtisch in kleinen Wohnungen? Hat die inzwischen so beliebte Kücheninsel nicht ohnehin schon die ersten Zentimeter vom eigentlichen Wohnzimmer erreicht? So sieht das auch das Designerpaar Kate und Joel Booy, als «Truly Truly» bekannt: Sie haben auf Einladung der Koelnmesse auf der IMM ein ganzes Haus gestaltet. Ihre Wohnvision tilgt alle Innenwände bis auf jene um das Bett und rückt die Küche ins Zentrum. «Das ist für uns ein wichtiger Ort», erklärt Joel Booy. Denn dort kommen die Menschen zusammen, um zu kochen, zu arbeiten, zu essen, zu sprechen oder zu entspannen.
Gestalterisch heißt das konkret: Die Hersteller lassen Küchenmöbel mehr und mehr wie Schränke und Sideboards im Wohnzimmer aussehen. Beide verbinden bestenfalls gemeinsame Farb- und Stilbezüge – für den nahtlosen Übergang der Funktionsbereiche vom Herd bis zur Couch.
Trend 2: Reduzierte Formensprache ist im Kommen
Viele Designer setzen sich aktuell wieder mit der Essenz der Möbel auseinander: Sie reduzieren ihre Entwürfe gestalterisch auf ein Minimum und vereinfachen die Formen stark. Solche Möbel sind entweder eine Abkehr vom Dekor oder gerade dazu da, die Dekorationen und Accessoires in Szene zu setzen, weil sie sich selbst zurücknehmen.
Dazu passen die vielen Wiederauflagen alter Designs, die sich weiter großer Beliebtheit erfreuen. Thonet zeigt in Köln zum Beispiel den Kaffeehausstuhl 214 von 1859, der überarbeitet worden ist – ein Möbelstück aus nur sechs Bauteilen, zehn Schrauben und zwei Muttern.
Viele Sofas haben entsprechend abgespeckt: Sie sind geradezu zierlich und stehen auf sehr schmalen Füße. Auch Rücken und Lehnen der oftmals wie Schalen wirkenden Sitzflächen scheinen eine Diät gemacht zu haben – wenn überhaupt, dann zieren noch einige wenige Kissen das Ensemble.
Trend 3: Sich eine gemütliche Höhle schaffen
Gemütlichkeit bleibt ein Thema, das viele Menschen sehr bewegt. «Bei allen Veränderungen in der Gesellschaft ist das Zuhause ein Nest», sagt Geismann. Dort wird die Work-Life-Balance wieder ins Lot gebracht. Während man sich im Alltag mit dem Smartphone in der Hand oder über den Rechner auf dem Schreibtisch immer mehr vernetzt und immer schnell unterwegs ist, braucht man daheim Ruhe und Abstand. Und dort lieben die Menschen kuschelige Teppiche und Kissen, Dekorationen und Möbel mit weichen, runden Formen – eine gemütliche Höhle zum Zurückziehen. Dazu passt, dass sich die Technologien für das Smart Home zwar vermehrt im Haus breit machen und selbstverständlicher werden, allerdings dort auch eher im Hintergrund funktionieren.
Trend 4: Naturmaterialien sind noch gefragter
Holz erlebt weiter einen Boom. «Bei größeren Möbeln sind ohnehin nachwachsende Materialien beliebt», erklärt Geismann. Jetzt seien sie sogar auch insgesamt erneut im Trend. «Vielleicht auch, weil die Erinnerung noch mal angefüttert wurde mit Bildern der Weltmeere voller Plastik.» Ebenso beliebt ist bei Designern derzeit Stein – zumindest bei hochpreisigen Küchen, deren Fronten zum Beispiel mit Marmor oder Granit verkleidet werden. Doch auch kleine Beistelltische werden gerne im Materialmix gestaltet, unter anderem mit Stein.
So offensiv wie noch vor ein paar Jahren wird zwar nicht mehr über Nachhaltigkeit und Natürlichkeit gesprochen – aber nicht etwa, weil das nicht mehr interessieren würde, betont IMM-Sprecher Majerus. «Das Umweltthema ist nach wie vor enorm wichtig, aber es wird eigentlich auch schon vorausgesetzt, gerade im oberen Preissegment. Die Menschen wenden sich ja den Marken zu, weil sie ihnen vertrauen.»
(dpa/tmn)