Berlin – Volle Hallen, euphorische Fans und ein großes Ziel: Zwölf Jahre nach dem goldenen Wintermärchen wollen Deutschlands Handballer bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land erneut eine Erfolgsstory schreiben.
Von Berlin soll der WM-Trip der DHB-Auswahl via Köln und Hamburg ins dänische Herning führen, wo am 27. Januar die Medaillen vergeben werden. «Ein Auswärtsspiel zum Schluss wäre ein Traum», sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning.
Bundestrainer Christian Prokop geht nach einer akribischen Vorbereitung zuversichtlich in das Mega-Event, das erstmals in zwei Ländern ausgetragen wird. «Das ist eine große Herausforderung, die wir aber meistern können, wenn wir als Team auftreten, unsere Leistungen zu 100 Prozent abrufen und natürlich mit dem Heimpublikum im Rücken», sagte der 40-Jährige.
Für den deutschen Handball geht es bei der am Donnerstag mit dem Auftaktspiel gegen Korea beginnenden Turnier aber um mehr als Gold, Silber oder Bronze. Ein gelungener WM-Auftritt vor einem Millionenpublikum an den TV-Geräten soll der Sportart weit über die Endrunde hinaus einen Schub bringen. «Wir wollen unseren Sport als Nummer eins der Teamsportarten hinter dem Fußball festigen und den Abstand zu den Fußballern verringern», verkündete Hanning das ehrgeizige Ziel.
Dazu bedarf es einer neuen Heldengeschichte – so wie 2007, als über 16 Millionen Menschen den WM-Triumph des Teams von Bundestrainer Heiner Brand im Finale gegen Polen am Fernseher verfolgten. Hanning hat daher einen klaren Anspruch formuliert: «Wir wollen begeistern und eine Mannschaft zum Anfassen sein, die ihre Sportart sympathisch vertritt und mit sportlichem Erfolg überzeugt.»
Anders als vor zwölf Jahren, als der Deutsche Handballbund vom Boom überrascht wurde und diesen nicht nachhaltig für sich nutzen konnte, sitzt man beim Verband in den Startlöchern für eine großangelegte Marketingkampagne. «Wir hoffen auf eine ähnlich erfolgreiche Geschichte wie 2007. Im Unterschied zu damals haben wir die Instrumente, die handballbegeisterten Kinder abzuholen», sagte Präsident Andreas Michelmann.
Dafür bedarf es eines ähnlich mitreißenden und sportlich erfolgreichen Auftritts wie beim sensationellen EM-Triumph 2016 in Polen, als die «Bad Boys» für Furore sorgten. Der Beiname wurde nach den Enttäuschungen bei der WM 2017 und EM 2018 zwar in die Mottenkiste getan, die damit verbundenen Attribute gelten aber weiterhin.
«Immer noch vorhanden ist die Identifikation mit den Werten wie Teamgeist, maximaler Kampf, Härte – der Bereitschaft, sich selbst und dem Gegner weh zu tun», sagte Prokop. «Es ist unser Ziel, mit sehr viel Emotionalität und Kampfgeist zu spielen, so dass die Menschen, die in der Halle oder vor dem Bildschirm mitfiebern, einfach Spaß haben und sich mit uns identifizieren können.»
Die Voraussetzungen dafür wurden in den vergangenen Monaten geschaffen. Das Klima zwischen Mannschaft und Trainer stimmt, nachdem es im Vorjahr in Kroatien erhebliche Dissonanzen gegeben hatte. «Jeder will in die gleiche Richtung gehen», betonte Prokop.
Seine Schützlinge können den Auftakt kaum erwarten. «Man hat ja in der Vergangenheit gesehen, dass es ein geiles Erlebnis ist, im eigenen Land so ein großes Turnier spielen zu dürfen», sagte Kapitän Uwe Gensheimer. «Es ist für uns alle etwas Einmaliges.» Auch die Unterstützung außerhalb des Handballs wird langsam immer größer. «Ich traue der deutschen Mannschaft zu, ins Halbfinale zu kommen und dann geht’s um die Medaillen», sagte Basketball-Superstar Dirk Nowitzki der «Handballwoche». «Wir haben 2007 gesehen, was im eigenen Land mit den Fans im Rücken alles möglich ist.»
In der Vorrunde bekommt es die DHB-Auswahl neben Korea noch mit Brasilien, Russland, Titelverteidiger Frankreich und Serbien zu tun. In der Hauptrunde müssten Brocken wie Europameister Spanien und der WM-Vierte Kroatien aus dem Weg geräumt werden.
Die Erinnerungen an das Wintermärchen 2007 sollen dabei helfen. «Das war das letzte Top-Turnier in Deutschland, bei dem die Nationalmannschaft einen Titelgewinn gefeiert und eine große Euphorie ausgelöst hat», sagte Gensheimer. «Natürlich haben wir es uns ein Stück weit auf die Fahne geschrieben, das auch zu schaffen.»
(dpa)