«Gegenentwurf zur Glitzerwelt»: 7 Jahre Streich

Freiburg – Es ist wohl auch dieser besondere Verein, der Christian Streich schwierige Zeiten überstehen ließ und ihn zum aktuell dienstältesten Trainer in der Fußball-Bundesliga gemacht hat.

Das zeigte sich einmal mehr im vergangenen April. Der SC Freiburg hatte im Abstiegskampf gerade eine verheerende Serie mit fünf Niederlagen nacheinander sowie nur einem Sieg aus acht Spielen hingelegt und stand vor dem Heimspiel gegen Köln mächtig unter Druck. Und was sagte Streich einen Tag vor der Partie? «Auch wenn man es vielleicht kaum glauben kann: Aber wir haben eine gute Atmosphäre.»

Das «Biotop» Freiburg, wie Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL), das Umfeld des Sport-Clubs nennt, trug sicher dazu bei, dass Streich am 29. Dezember sieben Jahre im Amt ist. Der zweite im Ranking unter den derzeitigen Bundesligatrainern, Pal Dardai von Hertha BSC, bringt es auf nicht einmal drei Jahre.

Die SC-Verantwortlichen und die Fans, meint Hangartner, könnten gut einschätzen, dass es der Verein mit seinen begrenzten finanziellen Mitteln in starken Jahren bis in die Europa League schaffen könne, in anderen aber die Gefahr bestehe, dass er absteigt. Daher halten sie an einem Trainer, von dem sie überzeugt sind, auch in schlechten Zeiten fest. In Freiburg würden sie «nicht gleich spinnen, wenn man mal ein Spiel verloren hat», sagte Streich einmal dazu.

Von ihm überzeugt zu sein, fällt der Freiburger Vereinsführung nicht schwer. Streich habe eine hohe Qualität in der Menschenführung, sei ein Taktikfuchs und «einer der besten Fußball-Ausbilder Deutschlands», erklärt Hangartner – also nicht nur Trainer, sondern auch Lehrer. «Er kann junge und kostengünstige Fußballer schnell ausbilden und holt aus ihrem Potenzial das Beste raus.»

So konnte Streich auch dann beim Sport-Club bleiben, als er 2015 mit ihm in die Zweite Liga abgestiegen war – und ein Jahr später wieder aufsteigen. Zuvor hatte Streich die Breisgauer 2013 sogar in die Europa League geführt, nachdem er die Mannschaft Ende 2011 als Tabellenletzter übernommen und noch zum souveränen Klassenverbleib geführt hatte. Und 2017 wurde Freiburg immerhin Bundesliga-Siebter. Zum Vergleich: Der Landesrivale VfB Stuttgart hat in den vergangenen sieben Jahren sage und schreibe elf Cheftrainer beschäftigt.

In Freiburg und in der ganzen Liga hat Streich Kultstatus erreicht, weil er sehr emotional sein kann, zu seinem südbadischen Dialekt steht und sich auch kritisch zu Themen außerhalb des Fußballplatzes äußert. Sei es zu Flüchtlingen, Fremdenhass – oder 2017 zum 222-Millionen-Euro-Wechsel Neymars vom FC Barcelona zu Paris St. Germain. Der 53-Jährige sei der «Gegenentwurf zur Glitzerwelt des Fußballs», meint Hangartner, der Streich schon lange kennt. Doch es gibt da auch die andere Seite, wenn Streich an der Seitenlinie die Fassung verliert, schimpft und wie beim 0:2 auf Schalke nach einem Platzverweis für Nils Petersen auf die Tribüne geschickt wird.

In der ewigen Tabelle der dienstältesten Bundesliga-Trainer ist Streich nun auf Rang zehn vorgerückt. Auf dem ersten Platz steht mit 16 Jahren immer noch Volker Finke – aus seiner Zeit beim SC Freiburg.


(dpa)

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