HSV, Hannover, Seleção: Der Aufstieg des Absteigers Walace

Dschidda – Real Madrid, FC Barcelona, Paris St. Germain, Hannover 96. Die besten Clubs der Welt müssen wie immer ihre Stars abstellen, wenn am Dienstagabend der Länderspiel-Klassiker zwischen dem Rekord-Weltmeister Brasilien und dem zweimaligen Weltmeister Argentinien angepfiffen wird.

Zwischen einem Neymar von PSG oder Marcelo aus Madrid taucht diesmal aber ein Spieler eines vergleichsweise kleinen Vereins auf, den man dort nicht erwartet hatte: der Mittelfeldspieler Walace Souza Silva von Hannover 96.

Der 23-Jährige ist im Sommer mit dem Hamburger SV aus der Fußball-Bundesliga abgestiegen. Auch mit seinem neuen Verein steht er nur auf Platz 16. Von seinen 34 Bundesliga-Spielen seit dem Februar 2017 gewann Walace gerade einmal sieben. Trotzdem ist er nach fast zweijähriger Abstinenz überraschend wieder in die brasilianische Nationalmannschaft berufen worden und gab dort in der vergangenen Woche beim 2:0-Sieg gegen Saudi-Arabien ein 25-minütiges Comeback. Gegen Argentinien hofft er nun am Dienstag in Dschidda auf seinen nächsten Einsatz. «Ich versuche es so zu behandeln, als sei das die Chance meines Lebens», sagte er bei einer Pressekonferenz der Brasilianer in Saudi Arabien über seine Rückkehr in die «Seleção».

Ein Teil seiner Geschichte ist, dass Walace 2016 mit Brasilien Olympiasieger wurde. Das erklärt, warum er in seiner Heimat noch immer einen deutlich besseren Ruf hat als in Deutschland.

Ein anderer Punkt ist, dass es in dieser gläsernen Zeit des Profifußballs nicht immer ausreicht, dass jeder Verein alles über jeden Spieler auf der Welt weiß. Manchmal kommt es eben auch darauf an, im richtigen Moment zuzugreifen statt zu zögern.

Der Abstieg des HSV war so ein Moment. In Hamburg galt Walace als unprofessionell, weil er eigenmächtig seinen Heimaturlaub verlängerte oder sich weigerte, in der Abwehr zu spielen. In Hannover dagegen sagte Manager Horst Heldt dem Fachblatt «Kicker»: «Ganz ehrlich: Ich kann mich nicht erinnern, in all den Jahren einen so guten Spieler gehabt zu haben. Er hat eine super Technik, ein gutes taktisches Verständnis und den schiebst du nicht so leicht vom Stuhl.»

Klar ist: Ohne Walaces Absturz in Hamburg hätte ein Verein wie Hannover nie die Chance bekommen, so einen Spieler zu holen. Klar ist aber auch: Diese Verpflichtung hätten sich im Sommer auch andere Clubs trauen können – haben sie aber nicht. Und so könnte 96 schon nach dieser Saison ein dickes Geschäft mit seinem brasilianischen Nationalspieler machen. Nach einem Bericht des Sportbuzzers enthält sein Vertrag eine Ausstiegsklausel, die 2019 gegen Zahlung einer Ablösesumme von 37,3 Millionen Euro aktiviert werden kann. Hannover musste im Juli nur sechs Millionen für ihn zahlen. «Bei ihm schauen die großen Vereine nun sicher genau hin», sagte auch Heldt.

Walace selbst hat für seine Entwicklung eine simple Erklärung. Am Anfang habe er in Deutschland vor allem Probleme mit der Sprache gehabt. Mittlerweile fühle er sich «viel besser integriert». «Ich bin als Spieler und Mensch gewachsen», sagte er bei der brasilianischen Nationalmannschaft. «Die Bundesliga ist eine sehr intensive Meisterschaft. Mittlerweile fühle ich, wie sich das auf mein Spiel ausgewirkt hat. Diese Intensität hat mir sehr geholfen.»

Seine Rückkehr in die «Seleção» ist allein deshalb ein Erfolg, weil die Brasilianer im Gegensatz zu den Argentiniern keinen großen Umbruch nötig haben. Die Stammformation steht, obwohl sie bei der Weltmeisterschaft in Russland im Viertelfinale an Belgien scheiterte. Trainer Tite holt nur sporadisch neue Leute in sein Team. «Jetzt ist die Gelegenheit, ihnen eine Chance zu geben», sagte der Coach.


(dpa)

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