Sydney – Die wichtigsten Stützen seiner neuen Mannschaft Sydney University HC hat Michael Roth erst im Flieger gen Katar kennengelernt.
Auch sonst lief die Vorbereitung auf die am Dienstag im Wüstenemirat beginnende Club-Weltmeisterschaft völlig anders, als es der Handball-Lehrer aus Deutschland gewöhnt ist. «Das sollen die vier besten Spieler sein. Ich versuche, sie einzubauen. Das ist schon ein Abenteuer», berichtet der frühere Nationalspieler und Bundesligatrainer in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur.
Immer wieder huscht ein Lächeln über seine Lippen, wenn er von seinem Kurzzeitengagement in Australien erzählt. Der 56-Jährige hat das Team – noch ohne die vier besten Spieler – auf die Club-WM vorbereitet, nach dem Turnier endet sein Engagement in Australien. Er genießt die Aufgabe, in die er sein ganzes Herzblut hineinsteckt, und schwärmt von der Freundlichkeit der Gastgeber. Doch manchmal wundert sich Roth, der im April bei der MT Melsungen überraschend entlassen worden war, auch nur. «Ich komme mir wie ein Entwicklungshelfer im Handball vor. Das Niveau der Top-Teams entspricht etwa der Regionalliga in Deutschland. Es ist alles sehr amateurhaft», stellt er fest.
Das fängt schon mit den Trainingsmöglichkeiten an. Geeignete Hallen sind Mangelware, Übungseinheiten erst nach Feierabend und nicht täglich möglich. Sydney University, das als Ozeanienmeister neben Top-Teams wie Champions-League-Sieger Montpellier HB oder EHF-Cup-Gewinner Füchse Berlin für Katar qualifiziert ist, besitzt wenigstens eine eigene Halle. Trainiert wird dennoch maximal dreimal in der Woche nur am Abend. Der für die Haftung so wichtige Harz am Ball ist verboten.
Roths Team besteht aus Studenten und in Down Under Gestrandeten aus aller Herren Länder. Nur einen Australier sucht man vergeblich. Dafür hat er im ehemaligen Bundesligatorwart Matthias Ritschel eine große Stütze zwischen den Pfosten. Der frühere Hüttenberger ist begeistert: «Die Voraussetzungen in Sydney sind natürlich ganz anders als in Europa. Aber die Mannschaft hat einen super Zusammenhalt und Teamspirit, trotz oder vielleicht gerade weil hier nicht unter Profi-Bedingungen gearbeitet wird.»
Das bekam Roth gleich nach seiner Ankunft zu spüren. Bei den Landesmeisterschaften wurde er gebeten, als Schiedsrichter zu fungieren. Er bekam ein Trikot übergestreift und pfiff ein Damen-Spiel. «Danach haben sie mich gefragt, ob ich das Herrenendspiel pfeifen kann», berichtet er. Roth ließ sich nicht zweimal bitten und erfüllte den Wunsch der Aussies. «Hier hilft sich jeder. Es hat super funktioniert», sagt der Olympia-Zweite von 1984.
Zudem absolvierte er ein Showtraining für die anwesenden Coaches, die sein Fachwissen aufsogen. Wie auch seine Spieler und der Franzose Lionel Puyhardy, mit dem er sich das Amt bei University teilt. «Eigentlich wollte ich mich zurückhalten. Aber das ging nicht. Sie sind froh, wenn sie was dazulernen. Und sie haben schon gemerkt, dass ein ganz anderer Zug dahinter ist», erzählt Roth. Seine eigenen Ansprüche musste er dennoch zurückschrauben: «Es wäre ja komisch, wenn ich jetzt alle rumscheuchen würde.»
In Doha traut er seinen Spielern, die mit einem Riesenspaß dabei seien, dennoch einiges zu. «Ich versuche sie so einzustellen, dass sie das erste Spiel gegen Al-Sadd gewinnen können», sagt Roth und setzt auf den Überraschungseffekt des Außenseiters. «Wenn wir lange dranbleiben und einen guten Tag erwischen, ist was möglich.»
Egal, wie das Abenteuer sportlich endet, für Roth persönlich hat es sich gelohnt. Die Atmosphäre in Sydney, die Sehenswürdigkeiten, die Lebensfreude – all das hat ihm sehr gefallen. «Es war die richtige Entscheidung», sagt er.
(dpa)