#Wirsindmehr: Fußball und sein Umgang mit Rassismus

Berlin – Schwarze Buchstaben auf weißem Grund, drei Wörter mit einem Hashtag versehen: #Wir sind mehr. Ein Banner unter der riesigen Deutschland-Fahne als Bekenntnis zur Bewegung gegen Rassismus nach den Ereignissen von Chemnitz.

In sozialen Netzwerken teilt der Deutsche Fußball-Bund dieses Bild von der Fankurve vor dem Anpfiff des Länderspiels gegen Peru Anfang September, zahlreiche Daumen gehen virtuell nach oben. Vor Anpfiff wird das Banner wieder eingerollt. Das große Echo bleibt aus, auch zwei Wochen später gibt es keine konzertierte Aktion im deutschen Fußball. Wie deutlich positionieren sich Vereine, Spieler und Funktionäre im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit?

Ein Blick zum Basketball: Nachdem sich das deutsche Nationalteam in einer selbst initiierten Aktion deutlich in einem Video und auf T-Shirts für Toleranz und gegen Rassismus ausgesprochen hatte, berichtet Verbandschef Ingo Weiss von einem äußert positiven Echo. «Es gab sehr viele Menschen, die gesagt haben: Endlich mal eine Nationalmannschaft, die Farbe bekennt», sagt er der Deutschen Presse-Agentur. «Die Mannschaft hat ein Zeichen gesetzt. Die Leute, die anders denken, wollen wir gar nicht bei uns in der Halle oder als unsere Fans haben.»

Den Fußball für ein lautes Schweigen kritisieren, will Weiss nicht: «Ich weiß, dass der Deutsche Fußball-Bund viel macht.» Direkt nach den Ausschreitungen in Chemnitz folgen zunächst einige, wenn auch wenige direkte Reaktionen: Regionalligist Chemnitzer FC bekennt sich auf seinem Mannschaftsbus dazu, dass die Stadt «weder grau noch braun» sei. Unter anderen der FC Schalke 04 und Arminia Bielefeld geben sofort klare Statements ab, es folgen andere Clubs wie die TSG 1899 Hoffenheim oder Borussia Dortmund, das «Borussia verbindet» anstelle des Sponsorenlogos auf dem Trikot präsentiert.

Hertha-Manager Michael Preetz betont, dass eine Einmischung von Clubs «nötig» sei. Freiburgs Christian Streich äußert sich gewohnt deutlich. Beim VfL Wolfsburg laufen seit dieser Saison alle Teams mit einer Regenbogen-Kapitänsbinde auf, Coach Bruno Labbadia trainierte zuletzt eine Flüchtlingsmannschaft. Braucht es aber übergreifend kein gemeinsames Zeichen, wie es die Bundesliga an anderer Stelle mit der Werbung für die deutsche Kandidatur für die EM 2024 setzte?

«Jeder Mensch hat für sich selbst eine Verantwortung. Das muss nicht immer im Großen sein. Ich sehe das so: Als einzelner Mensch sollte jeder etwas machen», sagt Labbadia. «Die Clubs haben aber auch eine Verantwortung, auf Dinge aufmerksam zu machen.»

Am deutlichsten in der Bundesliga lebt Peter Fischer dieses Credo. Schon Ende vergangenen Jahres positioniert sich der Präsident von Eintracht Frankfurt gegen die AfD und erklärt, eine Mitgliedschaft im Verein sei mit der Unterstützung der Partei unvereinbar. Auf die geforderte Rückendeckung aus dem Fußball in dieser Haltung wartet Fischer vergeblich. Erst vorige Woche stellt sich Werder Bremens Geschäftsführer Hubertus Hess-Grunewald verbal an seine Seite: Es sei ein Widerspruch, «Werder gut zu finden und die AfD zu wählen.»

Auch der FC Augsburg macht seine Erfahrungen mit der rechtspopulistischen Partei: Bei der Jahreshauptversammlung wird der Vorsitzende der Augsburger AfD der «Augsburger Allgemeinen» zufolge von einem Fan aus der Ultra-Szene beschimpft. Den Umgang mit AfD-Mitgliedern will der Club bei einem entsprechenden Antrag prüfen, Vereinspräsident Klaus Hofmann betont aber: «Der FCA verwehrt sich jeglichen rassistischen Einflusses und wird ihn aktiv bekämpfen.»

Und die Spieler? Auf Nachfrage lobt Nationalmannschaftskapitän Manuel Neuer das Konzert gegen Rassismus in Chemnitz. Insgesamt lassen zahlreiche prominente Profis die Chance, das Thema mit ihrer immensen Reichweite in sozialen Netzwerken aufzugreifen, aber verstreichen.

Häufig ist nach dem sommerlichen Zick-Zack-Kurs des DFB in der Affäre um Mesut Özil von Nationalspielern zu hören, dass es keinen Rassismus in der Mannschaft gebe. Ein überraschendes Erweckungserlebnis wie im Musikbereich, als der eigentlich unpolitische Schlagersuperstar Helene Fischer bei einem Konzert aufruft, gemeinsam die Stimmen zu erheben, bleibt aus.

Das Thema anzusprechen wäre jedoch zumindest aus Sicht von Schwedens Nationalspieler Ludwig Augustinsson ihre Aufgabe. «Wir Fußballprofis sind berühmt und haben eine Vorbildfunktion. Vor allem junge Fans orientieren sich an uns und unseren Werten», sagte der Werder-Profi dem «Weser Kurier». «Wir müssen deshalb ganz deutlich sagen, auf welcher Seite wir stehen. Und ich stehe auf der Seite derjenigen, die jede Form von Rassismus und Diskriminierung ablehnen.»

Für seine Position, dass der Fußball «eine unpolitische Rolle einnehmen» solle, muss RB Leipzigs Trainer Ralf Rangnick reichlich mediale Kritik einstecken. Anschließend erklärt aber auch er, dass sein Club «klar gegen Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Diskriminierung» einstehe.


(dpa)

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