Sinsheim – Nach vier Spielen weiter ungeschlagen, aber irgendwie noch nicht richtig in Tritt gekommen unter dem neuen Trainer Lucien Favre. Borussia Dortmund ist auch nach dem überaus glücklichen 1:1 (0:1) bei der TSG 1899 Hoffenheim auf der Suche nach sich selbst.
«Das war heute nicht unser bestes Spiel, aber wir nehmen den Punkt gerne mit. Für den Prozess, in dem wir uns befinden, ist der unheimlich wichtig», bilanzierte Kapitän Marco Reus nach dem Bundesliga-Duell der beiden Champions-League-Teilnehmer. Sein Gegenspieler Ermin Bicakcic schoss dem BVB noch einen Giftpfeil hinterher: «Die fahren hier weg und wissen nicht, wo sie den Punkt her haben.»
Abgesehen vom Ausgleichstor durch US-Nationalspieler Christian Pulisic nach Reus-Vorarbeit in der 84. Minute ging viel daneben bei den Gästen. Sogar so etwas wie ein an sich simpler Doppelwechsel nach einer Stunde: Marius Wolf ging vom Platz, Favre schimpfte wie wild und räumte später ein, dass der Stürmer dafür gar nicht vorgesehen war. «Es war eine falsche Kommunikation», sagte der Schweizer, wollte aber nicht verraten, wer anstelle von Wolf runter sollte: «Ich will nicht mehr darüber sprechen.»
Für die lange ganz starken Hoffenheimer hatte der Brasilianer Joelinton in der 44. Minute getroffen – das erste Bundesliga-Tor des Rückkehrers von Rapid Wien. Vor 30.150 Zuschauern in der ausverkauften Rhein-Neckar-Arena verlor der BVB in der 76. Minute Abdou Diallo durch einen fragwürdigen Platzverweis, rappelte sich danach aber auf. «Wir konnten diesen Punkt am Ende nicht ablehnen», sagte Favre später.
Zum dritten Mal hatten die Dortmunder in dieser Spielzeit einen Rückstand aufgeholt, das betonte auch Reus. «Wir haben heute wieder eine überragende Moral gezeigt, die uns in dieser Saison schon viel geholfen hat und und hoffentlich noch viel helfen wird», sagte der Nationalspieler.
Bei der Frage nach Reus-Kumpel Mario Götze hatte Favre vor dem Anpfiff genervt reagiert. Vier Tage nach dem 1:0-Sieg in der Königsklasse in Brügge stand der Weltmeister gar nicht erst im Dortmunder Kader. Er bleibt damit in dieser Saison ohne eine einzige Bundesliga-Minute. «Ich finde, die Frage kommt sehr oft. Das ist ein wenig respektlos für die anderen, die im Kader sind», sagte der Chefcoach dem TV-Sender Sky. «Das ist meine Entscheidung heute.»
Sein Hoffenheimer Kollege Julian Nagelsmann musste wie schon am Mittwoch in der Champions League beim 2:2 bei Schachtjor Donezk und zuvor beim 1:2 in Düsseldorf mit ansehen, wie seine Spieler beste Chancen verballerten. «Mein kleines Stoßgebet an den Fußball-Gott: Mal wieder über Sinsheim abbiegen!», haderte der 31-Jährige bei der Pressekonferenz.
In der 92. Minute brachte der eingewechselte Ishak Belfodil das Kunststück fertig, aus zwei Metern weit übers Tor zu schießen. Zudem wurde ein Kopfballtreffer von Bicakcic auf Intervention der Videoassistenten von Schiedsrichter Harm Osmers zurückgenommen.
Nagelsmanns Mannschaft zeigte «unglaubliche Power», wie der Erfolgscoach zu Recht anmerkte. Die Ausbeute von vier Punkten nach vier Spieltagen spiegelt dies allerdings nicht wieder. So war Oliver Baumann auch noch nach dem Duschen völlig bedient. «Das war ein überragendes Spiel von uns», sagte der Torhüter. «Die Dortmunder haben gefühlt einmal aufs Tor geschossen. Wir hatten ich weiß nicht wie viele 100-Prozentige. Wir müssen auf jeden Fall das zweite, dritte, vierte, fünfte Tor machen.» Reus prophezeite noch: «Hier werden andere Mannschaften noch mehr Probleme haben als wir. Hoffenheim wird bis zum Schluss wieder oben mitspielen.»
(dpa)