Tryon – Das Gold war zum Greifen nahe – doch Ingrid Klimke patzte ausgerechnet am letzten Hindernis und kämpfte danach mit den Tränen. Die 50 Jahre alte Reiterin hat bei der Vielseitigkeits-Weltmeisterschaft in den USA den Titel hauchdünn verpasst, holte aber noch Bronze.
«Ich bin trotzdem happy mit Bronze. Das Minimalziel war die Olympia-Qualifikation mit der Mannschaft, das haben wir geschafft», sagte Klimke. Die Europameisterin aus Münster ritt als letzte Starterin ein, kassierte in Tryon (North Carolina) im abschließenden Springen aber bei ihren letzten Sprung noch Strafpunkte. «Das ist natürlich schade, aber ein Fehler kann immer passieren. Bronze ist ein kleiner Trost für sie», sagte Bundestrainer Hans Melzer.
Die Tochter der Dressur-Legende Reiner Klimke vergab ihre glänzende Ausgangsposition. Denn vor dem letzten Ritt hatte sie mit ihrem Pferd Hale Bob in der Dressur und beim Geländeritt starke Leistungen gezeigt. Deutschland verpasste dadurch den Gold-Hattrick nach den WM-Siegen von Michael Jung 2010 in Lexington und Sandra Auffarth 2014 in Caen.
Mit der deutschen Mannschaft kam Klimke auf Rang fünf. Damit schaffte das Team die Olympia-Qualifikation. Zum deutschen Quartett gehörten außerdem Andreas Dibowski aus Döhle mit Corrida, Kai Rüder aus Blieschendorf mit Colani Sunrise und Julia Krajewski (Warendorf) mit Chipmunk. Der Sieg ging an Großbritannien, im Einzel setzte sich die Britin Rosalind Canter durch, Silber ging an Padraig McCarthy aus Irland.
Bis zum vergangenen Jahr war Klimke vor allem als Teamreiterin bekannt. Doch 2017 gewann sie bei der EM in Polen ihr erstes Einzel-Gold. Entsprechend forsch hatte Klimke vor der WM gesagt: «Es wäre ja Quatsch, wenn ich jetzt sage, dass ich mit meinem 14-jährigen Europameister nur teilnehmen will. Ich habe eine klare Vision. Wenn ich da hinfahre, dann will ich auch gewinnen.» Doch in Tryon vergab sie die große Chance.
Einige Male schon hatte Klimke greifbar nahe Siege im abschließenden Springen vergeben. Etwa bei den Olympischen Spielen in Hongkong, als sie zwei Abwürfe mit Abraxxas hatte und sich im Einzel mit Platz fünf begnügen musste. Dieses Trauma schien bei der EM vor einem Jahr beendet – jetzt kehrte es zurück.
Mit der Mannschaft ist Klimke deutlich erfolgreicher. Seit 2004 gehörte Klimke immer zu den von Hans Melzer gecoachten Teams, egal ob bei EM, WM oder Olympia. Je zwei Mannschafts-Goldmedaillen von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften hängen zu Hause in Münster, dazu drei von Europameisterschaften. Sieben goldene Team-Medaillen – so viele hat sonst niemand.
Die Chance für das Einzel-Gold hatte Klimke in der Dressur, die sie als zweitbeste des Feldes abschloss, und vor allem bei einer «Traumrunde» im Gelände geschaffen. Beim Herzstück der Vielseitigkeit zeigte Klimke mit Hale Bob eine Gala-Vorstellung und schwärmte: «Es war einfach genial.»
Nach dem Geländeritt war Klimke noch «total happy». Denn «es lief super, wie er den Berg hochgaloppiert ist. Als ich merkte, dass die zweite Luft da ist, konnte ich noch mal zum Ende richtig Gas geben. Er ist echt so ein schnelles Pferd, hat viele Reserven.» Nur für das Springen am Montag reichte es nicht.
Das deutsche Team blieb ohne Medaille. «Wir sind schon sehr enttäuscht», kommentierte Melzer: «Wir haben uns hier wirklich was vorgenommen.» Auch Dibowski sagte: «Wir hatten uns mit der Mannschaft mehr ausgerechnet. Unsere eigenen Erwartungen haben wir hier nicht erfüllt.»
Das Fehlen von Michael Jung war nicht zu kompensieren. Der erfolgreichste Vielseitigkeitsreiter der Welt musste absagen, weil keines seiner Pferde fit war. Kurz vor der WM verletzte sich noch Rocana, die für den Tryon-Start vorgesehen war. «Einen Michi Jung kann keine Mannschaft der Welt ersetzen», sagte Dennis Peiler der Sportchef der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.
(dpa)