Sinsheim – An diesen Worten wird sich auch Joachim Löw in Zukunft messen lassen müssen. Der Bundestrainer verspricht mehr Fan-Nähe, insbesondere Kinder soll(t)en ihre «Idole» mehr zu Gesicht bekommen.
Die Debatte um hohe Eintrittspreise, zu späte Anstoßzeiten und öffentliche Trainingseinheiten flammte beim Neustart nach dem WM-Debakel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft neu auf.
Dem DFB gelang rund um die Partien gegen Weltmeister Frankreich und Peru allenfalls ein Stotterstart. Dabei gilt, was Mats Hummels nach dem 0:0 gegen Frankreich sagte: «Fußball ist Unterhaltung und ein Sport für die Fans. Wir wollen die Leute wieder für uns begeistern.»
In die Fan-Debatte mischte sich am Wochenende auch noch Aufregung um den Austragungsort des Tests gegen Peru. Sinsheim statt Frankfurt lautete das Verbandsvotum. Angeblich, weil DFB-Präsident Reinhard Grindel die Befürchtung hegte, dass Frankfurter Ultras kurz vor der Vergabe des EM-Turniers 2024 die deutsche Bewerbung mit negativen Bildern von Ausschreitungen oder Bengalos torpedieren könnten. Das berichtete der «Spiegel» und berief sich dabei auf einen internen Mailwechsel der DFB-Spitze. Der Verband stellt dies anders dar.
Ein anderer Aspekt habe bei der Ortswahl im Vordergrund gestanden. «Es war ein Gedanke dahin, ein ausverkauftes Stadion zu haben», sagte Teammanager Oliver Bierhoff am Samstagabend im ZDF-«Sportstudio». Die im Vergleich zum Frankfurter Stadion halb so große Rhein-Neckar-Arena konnte mit knapp 26.000 Zuschauern tatsächlich gefüllt werden.
Zwei volle Stadien in München und Sinsheim sowie «wahnsinnig viele Kinder» (Löw) am Samstag bei der Ankunft am Teamhotel in Heidelberg bewiesen, dass das Interesse an den Nationalspielern trotz des sportlichen Versagens in Russland kaum gelitten hat. Hummels und Kollegen schrieben auch eifrig Autogramme. Die Zuneigung der Fans «hat uns allen sehr gut getan», berichtete Marco Reus schon in den Münchner Tagen. Dennoch wurde eine Chance vertan. «Wir werden an der Nahbarkeit arbeiten, häufiger die Türen und Tore aufmachen», hatte Bierhoff angekündigt. Der gute Vorsatz blieb in Ansätzen stecken.
Löw versuchte wortreich, den fortgesetzten Verzicht auf öffentliche Trainingseinheiten zu rechtfertigen. «Die ersten Tage vor dem Frankreich-Spiel waren wichtig, die Mannschaft war zum ersten Mal wieder zusammen», sagte der Bundestrainer zum abgeschotteten Üben in München. Und ein Abschlusstraining sei «nicht unbedingt sinnvoll» für eine offene Einheit. Auch in Sinsheim blieb das Stadion leer. «Aber im Oktober und November haben wir uns das vorgenommen, da werden wir das machen», versprach Löw. In Berlin und Leipzig sollen die Fans jeweils einmal Manuel Neuer und Co. beim Training zusehen dürfen. «Ich nehme die Bedürfnisse unserer Fans ernst», sagte Bierhoff.
Löw würde sich mehr Länderspiele am frühen Abend wünschen. «Meine Meinung ist schon seit einigen Jahren bekannt», sagte er am Samstag in Sinsheim: «Dann könnten die Kinder das Spiel sehen. Sie sind ja auch die Zukunft. Gerade in dem Alter sind sie zu sensibilisieren für Fußball. Wir würden uns alle wünschen, wir könnten um 18.00 Uhr spielen, dann könnten diese Kinder ihre Idole auch sehen.»
Der Bundestrainer verwies aber auf «Entscheidungsprozesse, die auch ich nicht in dem Maße beeinflussen kann». Der DFB ist an Verträge gebunden. Die TV-Anstalten erzielen bei Anstoßzeiten nach 20.00 Uhr höheren Einschaltquoten. Zudem werden die Anstoßzeiten bei Spielen wie in der neu eingeführten Nations League von der UEFA diktiert.
Umso wichtiger werden Fan-Aktionen abseits der Spiele. «Wir sind selbstgefällig aufgetreten, wir haben die Unterstützung der Fans für zu selbstverständlich genommen», äußerte Bierhoff selbstkritisch.
Beim Spiel gegen Frankreich gab es in der Münchner Arena eine besonders Choreographie. Die deutschen Anhänger schwenkten auf der Tribüne schwarz-rot-goldenen Fahnen und bildeten ein Herz. Das war einerseits eine Botschaft an die Nationalspieler, aber zugleich eine ins europäische Ausland. Die DFB-Bewerbung um die EM 2024 läuft unter dem Motto «United by Football – Vereint im Herzen Europas».
Am 27. September entscheidet die UEFA über den Gastgeber der übernächsten Europameisterschaft: Deutschland oder Türkei? Gerade auch für DFB-Präsident Grindel ist ein Erfolg sehr wichtig. Er soll darum auch, aus Angst vor einem möglichen Inferno Frankfurter Ultras, Sinsheim als Austragungsort der Peru-Partie durchgesetzt haben.
Koch bestätigte im TV-Sender Sky, dass die EM-Bewerbung eine Rolle bei der Wahl des Spielortes gespielt habe. Natürlich habe man sich gefragt, wie das Fanverhalten sein werde: «Aber entscheidend war ganz etwas anderes: Wir wollten gegen Peru, und das ist nicht der Weltmeister, ein volles Stadion garantieren.» Das ist gelungen.
(dpa)