Hannover – Bei seinem fast unbemerkten Abgang schien Mario Götze eine Botschaft loswerden zu wollen.
Als die Protagonisten von Borussia Dortmund versuchten, das enttäuschende 0:0 bei Hannover 96 am Freitagabend zu erklären, ging der Weltmeister von 2014 mit ernstem Gesichtsausdruck vorbei, suchte den Blickkontakt mit den Journalisten und verschwand mit einem deutlichen «Guten Tag». Es klang wie «Ich bin auch noch da.» Der bessere Adressat dafür wäre wohl sein Trainer Lucien Favre gewesen.
Längst zählt der Siegtorschütze des WM-Finales von 2014 nicht mehr zu den Protagonisten beim BVB. Unter dem neuen Coach Favre scheint es gar noch schlimmer zu werden. Auch im zweiten Saisonspiel saß der Hochveranlagte 90 Minuten nur auf der Bank. Beim furiosen 4:1 gegen Leipzig zum Saisonstart fiel das noch kaum ins Gewicht. Am Freitag jedoch schien das biedere Spiel der Westfalen geradezu nach einem Kreativspieler zu schreien. Favre schien das anders zu sehen und verzichtete gar auf die Möglichkeit einer dritten Auswechslung, obwohl seinem Star-Ensemble bedenklich wenig gegen Hannovers plumpe Manndeckung über den gesamten Platz einfiel.
Mit seinem Team, das zum erhofften Wiederangriff auf Bayern München für mehr als 70 Millionen Euro aufgerüstet worden war, ging der Schweizer hart ins Gericht. «Die ersten 25 Minuten waren wir nicht gut. Sie waren viel besser als wir», schimpfte Favre. «Wir hatten den Ball sehr selten und wenn wir ihn hatten, haben wir ihn viel zu früh verloren» war eine weitere bittere Erkenntnis, ebenso das Geständnis: «Es gibt viel zu tun. Wir müssen das Spiel viel besser machen.»
Ein ausgewiesener Techniker und Künstler wie Götze wäre dazu bestens geeignet, möchte man meinen. Diese Eignung wies Götze in den vergangenen Jahren, die allerdings auch von einem langen Ausfall aufgrund einer Stoffwechselerkrankung geprägt waren, aber nur allzu selten nach. Aus der vergangenen Saison blieb die beißende Kritik vom damaligen BVB-Coach Peter Stöger in Erinnerung, der Götze nach dem Europa-League-Aus gegen Salzburg die Missachtung von taktischen Vorgaben vorhielt. Es folgte die Nicht-Nominierung für die WM mit der Bemerkung von Bundestrainer Joachim Löw, Götze sei «wahrlich nicht in der Form» dafür gewesen. Und nun verzichtete in Dortmund Trainer Favre, der in der Vergangenheit immer dadurch auffiel, vor allem die Künstler in seinen Teams zu Höchstleistungen zu animieren, in den ersten beiden Saisonspielen komplett auf Götze.
«Wir haben viele Spieler im Mittelfeld. Sehr, sehr viele Spieler», begründete Favre seine Maßnahme. Unausgesprochen stand im Raum, dass diese Spieler alle vor Götze stehen. Beunruhigend für den einstigen Fan-Liebling. Noch beunruhigender für Götze sollte allerdings sein, was Favre sonst noch zur Situation zu sagen hatte. Im Grund genommen war dies nämlich: nichts. «Das ist so. Er war auf der Bank und ist nicht gekommen. Man wird sehen, was in Zukunft ist. Mehr kann ich dazu nicht sagen», sagte der 60 Jahre alte Schweizer lapidar.
Es schien Favre fast egal zu sein. Mindestens zweimal hatte er bei entsprechenden Fragen die Möglichkeit, Götze Mut zu machen; darauf zu verweisen, dass die Saison lang sei, dass Götze große Fähigkeiten habe, die es gegen andere Teams einzusetzen gelte. All das tat Favre nicht. Stattdessen schien er fast Unverständnis für die Fragen nach Götzes aktuellem Stellenwert zu haben. «Wir haben gesehen, dass das Spiel sehr eng und intensiv war mit vielen Zweikämpfen. Beide Mannschaften sind viel gelaufen», sagte Favre und schob in seiner Muttersprache hinterher: «C’est comme ça» – «So ist das.» Mehr hatte Favre nicht zu Götze zu sagen.
(dpa)