Vettels brutaler Gefühlsabsturz in Hockenheim

Hockenheim – Sebastian Vettel wollte nur noch weg. Aber nicht mal das klappte problemlos auf dem gefluteten Hockenheimring.

Nach dem brutalen Gefühlsabsturz bleibt dem viermaligen Formel-1-Weltmeister erst einmal nur ein Trost: «Wir haben gezeigt, dass wir überall konkurrenzfähig sind, ich freue mich daher auf Ungarn am kommenden Wochenende.» Allerdings sollte Vettel besser keinen Blick auf die derzeitigen Wetterprognosen richten: Am Sonntag sind in Budapest Gewitter möglich.

Vettel blieb eine Nacht daheim in Heppenheim, rund 50 Kilometer vom Hockenheimring entfernt, der für den 31 Jahre alten Ferrari-Star ein verfluchter Formel-1-Ort bleibt. Selbst eine Strafe und die nachträgliche Siegaberkennung für seinen Widersacher Lewis Hamilton hätten daran nichts geändert.

Vettel verlor die WM-Führung an einem Rennwochenende, das wie in einem 25-Stunden-Zeitraffer den hollywoodreifen Titel-Zweikampf der beiden gegenwärtig erfolgreichsten Piloten der Motorsport-Königsklasse zum emotionalen Härtetest machte. Auch für Hamilton, dessen erneuter Sieg im Reich seines Erzrivalen erst drei Stunden nach Rennende wirklich feststand.

Hamiltons Manöver in der Runde vor Vettels Aus – aus der Boxengasse zurück auf die Strecke – ist verboten. Ausnahmen gelten nur bei «höherer Gewalt», so steht es ziemlich unmissverständlich im Regelwerk des Internationalen Automobilverbandes. Nicht festgelegt ist dort das Strafmaß. Es bleib bei einer Verwarnung, unter anderem weil keine Gefahr im Verzug war und Hamilton sowie sein Mercedes-Team sich offen reumütig und geständig gaben.

Alles andere wäre auch zumindest nachträglich zu einer Farce geworden – die Zuschauer hätten sich durch Kilometer lange Staus gekämpft und erst bei der Rückkehr zuhause erfahren, dass Hamilton gar nicht der Sieger ist. Das ohnehin feurige Titelduell zwischen Ferrari und Mercedes dürfte nach den Spekulationen um die Legalität des neuen Triebwerks von Ferrari vor dem Rennen in der Puszta aber noch weitere Würze bekommen.

«Es ist normalerweise nicht die Strecke, auf der wir am stärksten sind», sagte Hamilton mit Blick auf den Hungaroring. Weil es aber auch kein ausgewiesener Motorenkurs ist, hofft Hamilton, dass Ferrari die brachiale Kraft des deutlich verbesserten Antriebs nicht so ausspielen kann. Dass die Strecke Vettel und der Scuderia liegt, beweisen aber dessen zwei Siege dort in den vergangenen drei Jahren. Allerdings gewann Hamilton schon fünfmal auf dem Kurs – so oft wie kein anderer Fahrer.

Und der Sieg auf dem Hockenheimring scheint den 33 Jahre alten Briten weiter gestärkt zu haben. Nach den Pleiten und Rückschlägen der vergangenen Wochen unter anderem mit dem zweiten Platz hinter Vettel beim England-Rennen und dem bitteren Quali-Aus am Samstag wegen eines Hydraulik-Defekts in Deutschland hatte er schon das Gefühl, dass ihm die WM entglitten wäre. «Ein unglaubliches Rennen, ein definitiv unmögliches Comeback des Weltmeisters, das aber Wirklichkeit wurde», lobte in Italien «Tuttosport».

Mit Glück und vor allem aber mit dem letztlich doch unerschütterlichen Glauben an sich selbst, hat der exzentrisch-emotionale Brite seinen deutschen Rivalen und den Titelkampf vorerst wieder unter seine Kontrolle gebracht.

Eine Rolle spielte auch, dass Mercedes Hamiltons attackierenden Teamkollegen Valtteri Bottas, der als Zweiter den unerwarteten Doppelerfolg perfekt machte, zurückgepfiffen hatte. Vom Kommandostand der Scuderia hatte allerdings auch Kimi Räikkönen, Dritter beim Deutschland-Rennen, einen Aufforderungs-Monolog übermittelt bekommen, Vettel überholen zu lassen.

Ob es die Weiterentwicklung der Roten Göttin von Vettel und des Silberpfeils von Hamilton ist oder ob es eine mentale Stärkeprobe für die beiden PS-Protagonisten ist – der Kampf um den fünften Titel für Vettel oder Hamilton ist längst zu einem epischen Duell geworden, in dem der Brite das Unwetter nach seinem Sieg im vorerst letzten Deutschlandrennen gar als einen «biblischen Sturm» wertete.


(dpa)

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