Frankfurt/Main – Der früherer Grünen-Chef Cem Özdemir sieht die Kritik an Mesut Özil wegen der Erdogan-Fotos mittlerweile «eindeutig rassistisch grundiert».
Es gehe vielen um die türkische Abstammung des deutschen Fußball-Nationalspielers, sagte der 52-Jährige der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». «Das katastrophale Krisenmanagement des DFB infolge der Erdogan-Fotos hat Raum gelassen für Angriffe von rechts und die überwunden gehoffte Debatte, ob hier geborene Deutsch-Türken wirklich Teil unserer Gesellschaft sind oder für immer Ausländer bleiben. Das wirft uns um Jahre zurück», sagte Özdemir.
Der Politiker befürchtet nun eine PR-Kampagne des türkischen Verbandes, um deutsch-türkische Jugendliche wieder für die türkische Nationalmannschaft zu begeistern. «Ich würde das sehr bedauern, denn ich habe immer dafür geworben, dass Jugendliche, die in Deutschland aufwachsen, die deutsche Nationalmannschaft als die ihre betrachten. Welche denn sonst?»
Sollte Özil aus der Nationalmannschaft zurücktreten, wäre «das ein fatales Signal in Sachen Integration, wenn junge Deutsch-Türken den Eindruck bekommen, sie hätten keinen Platz in der deutschen Nationalmannschaft», sagte der Grünen-Politiker. «Ich bin mir aber sicher, dass sich Erdogan wahnsinnig freuen würde, wenn es ihm gelingt, auch bei uns die gesellschaftliche Spaltung zu verstärken.»
Zu dem umstrittenen Termin mit Erdogan hat Özil selbst bislang noch nicht gesprochen. Zuletzt waren DFB-Präsident Reinhard Grindel und Teammanager Oliver Bierhoff in die Kritik geraten, weil sie mit Interview-Aussagen den Eindruck erweckt hatten, Özil sei durch sein Verhalten für das frühe WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft mitverantwortlich. «Ich wundere mich darüber, wie die Spitze des DFB arbeitet. Nun sieht es so aus, als suchten sie nach dem erstbesten Sündenbock, um ihre Jobs zu retten», sagte Özdemir.
(dpa)